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Geliebter, betrogener Mann

Geliebter, betrogener Mann

Titel: Geliebter, betrogener Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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es müssen. Monsieur.« Puan Lampun wiegte den verrunzelten, zusammengeschrumpften Kopf. »Was wollen Sie Besseres?«
    »Nach Hause, zurück nach Deutschland«, keuchte Pohland. Mit der körperlichen Erstarkung kam auch das Gefühl der Angst zurück. Die fatale Gleichgültigkeit fiel von ihm ab, Stück um Stück, mit jedem kräftigeren Schlag seines Herzens. Der Lebenswille wuchs, und mit ihm wuchs die Erkenntnis der Furcht und des Grauens.
    »Wie könnte das sein? Wir sind von Rebellen umgeben. Unser Dorf ist wie eine Insel, um das zwei Meere branden. Von Norden die Kommunisten, die uns erpressen, von Süden die Regierungstruppen, die uns bestrafen, weil wir uns erpressen lassen. Wir müssen nach allen Seiten bluten, so lange, bis der letzte Mensch von Muang Thao zerrieben ist.« Puan Lampun schnitt ein Stück Fleisch ab und reichte es auf der Messerspitze Pohland hin. »Vorsicht, Monsieur, es ist heiß. – Man wird Sie sicherlich suchen, nicht wahr?«
    »Ich weiß nicht.« Er biß gierig in das Fleisch, verbrannte sich die Lippen, aber der Schmerz war nicht so stark wie der Hunger, der seinen Magen zusammenzog. Puan Lampun ließ ihn ein paar Bissen essen, ehe er weitersprach.
    »Natürlich wird man Sie suchen. Und man wird wieder zu uns kommen, unsere Häuser plündern, unsere Frauen schänden, unsere Vorräte wegnehmen … sie sind wie die Aasfliegen, sie überdecken alles. Und wenn man Sie bei uns findet, werden sie unser Dorf verbrennen und alle töten! Sie sehen doch ein, daß es besser ist, zwei Menschen zu töten als neunundsechzig Familien … Oder sehen Sie es nicht ein, Monsieur?«
    »Diese Rechnung stimmt nicht. Vielleicht kommen sie gar nicht.«
    »Vielleicht ist ein Wort der Unsicherheit. Unsicherheit im Dschungel aber ist tödlich. Hier bestehen nur die eindeutigen Dinge.« Puan Lampun nickte mehrmals. »Bitte, essen Sie gut, Monsieur. Und dann trinken Sie bitte. Hier, diesen Schnaps. Er ist sehr stark, und es wird Ihnen ein Vergnügen sein, erschossen zu werden …«
    »Das glaube ich nicht.« Pohland hörte, wie sich auch Dr. Heidkamp rührte. Er stöhnte, dehnte sich, hustete, richtete sich an der Hüttenwand zum Sitzen auf und starrte zunächst mit leeren Augen um sich. Dann bemerkte auch er seine völlige Nacktheit und den kleinen Greis, der zwischen dem Feuer und ihm stand und ihn freundlich ansah.
    »Spricht Monsieur auch Französisch?« fragte Puan Lampun.
    »Ja.«
    »Man muß ihm sagen, daß er sterben muß.«
    »Wasser!« stöhnte Dr. Heidkamp. »Ich verbrenne ja. Wasser … Wasser …«
    Er begriff noch nicht, wo er war und was gesprochen wurde. Der Alte reichte ihm eine Tonschale mit kaltem Tee. Mühsam begann Dr. Heidkamp zu schlucken, dann sank er wieder gegen die Hüttenwand und schloß die Augen. Um ihn zu erfrischen, schüttete Puan Lampun den Rest des Tees über Heidkamps Kopf. Er schüttelte sich, riß die Augen wieder auf und gewann die Klarheit des Denkens zurück.
    »Wo sind wir denn hier, Herr Pohland?« fragte er mit schwerer Zunge.
    Heidkamp versuchte sich aufzurichten, aber die Kraft reichte nicht aus. »Warum hat man uns denn ausgezogen?« stöhnte er.
    »Wir trugen die Uniform der Rebellen. Wie beliebt sie hier sind, habe ich gerade gehört. Der Greis da ist der Dorfälteste. Ich versuche die ganze Zeit schon, mit ihm einen Modus auszuhandeln, wie wir weiterleben können.«
    »Sind Sie verrückt geworden, Herr Pohland?«
    »Sie verkennen die Lage, Doktor. Man will uns erschießen, weil man fürchtet, die Rebellen suchen uns, finden uns hier und jagen das ganze Dorf in die Luft. Wo aber nichts mehr ist, kann man auch nichts mehr finden.«
    »Und Sie glauben auch, daß man uns sucht?«
    »Den Oberst auf jeden Fall. Wir müssen mit allem rechnen.«
    »Ein Stück Fleisch, Monsieur?« Puan Lampun hielt Heidkamp ein dampfendes Stück vor. Der Ingenieur sah Pohland in grenzenloser Verwunderung an.
    »Der spricht ja Französisch.«
    »Ein ehemaliger Missionsschüler.«
    »Merci, Monsieur.« Heidkamp nahm mit spitzen Fingern das Fleisch und biß vorsichtig hinein. Dann trank er wieder Tee, roch an dem Schnaps und schüttelte den Kopf.
    »Es ist aber besser damit«, sagte der Greis eigensinnig. »Man spürt nachher gar nichts.«
    »Wovon redet er?« fragte Heidkamp zu Pohland.
    »Vom Erschießen, Doktor.«
    »Quatsch.« Heidkamp aß, wie nur ein Ausgehungerter essen kann. Noch zweimal reichte ihm Puan Lampun neues Fleisch, bis er endlich seufzend die Arme um die nackten Knie schlang.

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