Geliebter, betrogener Mann
sprang heraus, und auch Gerda stieg aus. Sie hob den Kopf zu ihm, und er küßte sie auf die zitternden, kalten Lippen, zögernd, schnell, fast ängstlich, daß schon diese Liebkosung zuviel sein könnte.
»Du hast eine gute Fahrt gehabt?« fragte er, nur um etwas zu sagen.
»Ja. Danke. Dr. Wehrmann ist zurückgefahren. Und du?«
»Mir geht es gut.«
»Das ist schön, Micha.«
Sie standen auf der nachtdunklen Straße, im Widerschein ihrer Autoscheinwerfer, und sahen sich an.
»Ist … ist das nicht alles Wahnsinn, Gerda?« sagte Pohland gepreßt. »Ich liebe dich … und du … du …«
Sie legte ihm die Finger auf die Lippen. Ihr Lächeln war voll Glück und doch unendlich traurig.
»Du mußt Geduld haben und mich immer lieben, Micha.«
»Das hast du schon am ersten Abend gesagt.«
»Ich kann es nur immer wieder sagen.«
Pohland zog sie an sich. Er umschlang sie mit den Armen, als müsse er sie schützen und vor etwas Ungeheurem festhalten.
»Warum schließt du ab, Gerda«, sagte er, heiser vor innerer Erregung.
»Micha … bitte!«
»Erklär' es doch! Mein Gott, ich mache mir Vorwürfe, ich frage mein Spiegelbild, die Wände, die Wolken, tote, stumme Dinge, als könnten sie antworten, ich bin wie ein Irrer. Hab doch Vertrauen zu mir!«
Sie lehnte den Kopf an seine Brust und weinte wieder, wie ein kleines Kind, das mit seinem Kummer bis jetzt ganz allein war.
»Komm mit nach Ebenhagen«, sagte Pohland voll Zärtlichkeit. Sie schüttelte den Kopf und strich mit den Fingerspitzen die Tränen aus den Augen.
»Dr. Wehrmann wird dir alles erklären.«
»Aber du sollst es mir sagen, Liebste. Wo … wo wart ihr?«
Sie hatte sich wieder gefaßt und löste sich aus seiner Umarmung. Leicht streichelte sie über sein Gesicht, eine stumme Bitte um Verstehen und Verzeihung.
»Komm heute noch zurück!« sagte sie leise. Dann riß sie sich los und lief zu ihrem Wagen. Pohland versuchte sie zu fassen, aber er griff ins Leere.
»Gerda!« rief er. »Gerda! Warte doch!«
Aber sie hatte bereits gestartet und fuhr mit quietschenden und durchdrehenden Reifen an.
Er sah dem davonrasenden Wagen nach, bis die roten Rücklichter in der Ferne von der Dunkelheit verschluckt wurden. Dann stieg auch er ein, aber bevor er anfuhr, rauchte er erst eine Zigarette mit langen, durstigen Zügen, als wolle er sich berauschen.
In der Wohnung von Dr. Wehrmann erwartete ihn ein kampfbereiter alter Löwe. Ohne Einleitung zeigte Wehrmann auf einen Ledersessel.
»Setzen!«
Pohland blieb stehen. »Was ist?« fragte er steif.
»Setzen sollen Sie sich.«
»Ich bin keiner Ihrer Patienten, denen Sie befehlen können.«
»Kreuzdonnerwetter!« Dr. Wehrmann hieb mit der Faust auf einen Teewagen, der davonrollte und gegen den Bücherschrank prallte. »Bis heute habe ich immer mit Ihnen durchexerziert, was Ihnen nützlich ist.«
»Aber einmal ist auch ein Rekrut der Schleiferei entwachsen. Ich verlange von Ihnen als meinem Arzt …«
»Einen Mist können Sie verlangen! So, verstehen wir uns jetzt? Und jetzt hören Sie zu, wenn Sie wollen – oder gehen Sie, wenn es Ihnen lieber dazu zumute ist. Na, wie halten wir's? Gehen wir?«
Pohland setzte sich in den Ledersessel. Es war sinnlos, gegen Dr. Wehrmann anzugehen. »Also?« sagte er bloß.
»Zunächst: Ihre Frau ist gesund.«
»Das haben Sie mir schon gesagt.«
»Sie ist seelisch krank.«
»Das deuteten Sie an. Aber wieso? Und wodurch? Und wo waren Sie mit Gerda?«
»Wir haben eine kleine Landpartie gemacht. Frische, würzige Luft. Sie wissen gar nicht, wie gut das tut. Es ist übrigens eine Schande, daß die gute alte Landpartie von früher der Zivilisation zum Opfer gefallen ist. Früher ging man in den Wald, atmete kräftig durch und reinigte die Lungen und den Kreislauf. Heute sitzt man in einer knatternden, stinkenden Blechkiste und …«
»Doktor! Ich habe auch nur Nerven!« Pohland trommelte mit den Fingern auf die Sessellehne. Dr. Wehrmann ging zu seinem Tisch, holte zwei Tabletten und legte sie Pohland auf die Lehne.
»Sie sind gut gegen übermäßige Erregung; sie dämpfen das Zentralnervensystem.«
Pohland fegte die Tabletten auf den Teppich. »Ich habe Gerda eben getroffen. Sie war wie verstört, sie weinte und flüchtete vor mir. Doktor, wenn Sie nicht wollen, daß ich völlig durchdrehe …«
»Wer will denn das, mein Lieber?« Dr. Wehrmann trank einen tiefen Schluck Kognak. »Und nun passen Sie mal auf, Sie liebender Mann: Ihre Frau bedarf für einige Zeit der
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