Geliebter, betrogener Mann
Sanatorium, blieb den ganzen Tag über auf seinem Beobachtungsposten und empfand eine panische Angst, daß etwas Schlimmes geschehen sein konnte, ein Rückfall, eine Erkrankung, ein neues Nervenfieber.
Es war der Tag, an dem ein bekannter Gynäkologe aus der Stadt in das Sanatorium kam und Gerda Pohland noch einmal untersuchte. Er und auch Dr. Carstens bestätigten darauf, daß die bedauerliche Entgleisung Pohlands keine Folgen hinterlassen hatte.
Gerda Pohlands Gesicht verlor den letzten sorgenden Ausdruck.
»Es ist also sicher … ich bekomme kein Kind?«
»Es ist ganz sicher, gnädige Frau.«
»Und … später?«
»Wenn Sie regelmäßig die kontrazeptiven Pillen nehmen, kann absolut nichts passieren. Eine Schwangerschaft ist ausgeschlossen. Und die zentraldämpfenden Pharmaka, die Dr. Wehrmann Ihnen verordnet hat, tun ein übriges, um Ihr seelisches Gleichgewicht wieder einzupendeln. Sie brauchen in Zukunft keine Angst mehr zu haben.«
Gerda Pohland sah hinaus in den sonnigen Tag. Die hohen Tannenwälder glänzten wie mit Lack überzogen.
»Dann möchte ich nach Hause, meine Herren. Morgen schon.«
»Ich glaube nicht, gnädige Frau …« Dr. Carstens widersprach aus Prinzip. Er wußte, daß sein Nein neue Energie in Gerda Pohland aufrief.
»Ich bin nicht krank, Doktor.« Sie sprang auf und trat an das große Fenster des Behandlungsraumes. »Ich glaube jetzt, daß ein großer Druck von mir genommen ist und ich endlich das Leben lieben kann, wie ich es mir ersehne.«
Dr. Carstens warf dem Gynäkologen einen schnellen, zufriedenen Blick zu. Die Ehrlichkeit Gerdas erfreute ihn.
»Aber Sie sollten sich noch schonen und …« Dr. Carstens schwieg, als sich Gerda schnell herumdrehte.
»Doktor, Sie mögen ein hervorragender Psychologe sein, ein berühmter Psychotherapeut, der sich in den Seelen der Frauen auskennt. Aber ich denke, daß Ihre Grenzen da gesetzt sind, wo das ureigenste Gebiet der Frau beginnt – der Liebe.«
»Das stimmt«, sagte Dr. Carstens aus voller Brust.
»Und deshalb fahre ich morgen.«
»Einverstanden.« Dr. Carstens verbeugte sich galant. »Sie haben mich besiegt, gnädige Frau.«
So kam es, daß Michael Pohland in verzweifelter Stimmung durch die Wälder irrte und mit dem Fernglas Gerda suchte, als sie sich schon längst auf der Heimfahrt befand. Erst am Abend erreichte ihn Dr. Corbeck durch das Telefon.
»Ihre Gattin ist da«, sagte er schlicht. Pohland umklammerte den Hörer.
»Corbeck – das ist nicht wahr!«
»Herr Pohland, ich würde mir nie erlauben …«
»Wo ist sie: Wo? Wo?«
»Auf dem Gut. Dr. Wehrmann rief mich schon am frühen Nachmittag an. Seitdem versuche ich, Sie zu erreichen. Ihre Gattin ist völlig überraschend zurückgekommen.«
Mehr hörte sich Pohland nicht an. Er warf den Hörer weg und schrie nach dem Hausdiener. Sie warfen die Kleider einfach in die Koffer, drückten sie zu und rannten zum Wagen. In einer halsbrecherischen Fahrt kehrte Michael Pohland von seiner ›Geschäftsreise‹ zurück. Er überwand sich, zunächst in Ebenhagen bei Dr. Wehrmann vorbeizufahren, um sich nähere Informationen zu holen. Er raste durch bis Gut Heidfeld und drosselte den Wagen erst, als er seinen Besitz von weitem liegen sah.
In einem Birkenwäldchen hielt er an. Ein neues Problem kam auf ihn zu, eine Frage, die er sich in all den Tagen gestellt hatte und die er nicht beantwortet hatte. Nun aber mußte sie eine Antwort haben, und er wußte sie immer noch nicht: Wie sollte er Gerda gegenübertreten?
Seit jener Nacht hatte es kein Wort mehr zwischen ihnen gegeben. Ihre Schreie waren noch in seinen Ohren, und seine Worte hinterher hatten sie nicht mehr erreicht. Das letzte, was er vernommen hatte, war ihr Stöhnen: »Ich will sterben! Ich will sterben!« Nun trat er ihr wieder entgegen, und er wußte nicht, was er sagen sollte.
Langsam fuhr er in den Gutshof ein. Ein fremder Wagen parkte an der Treppe des Herrenhauses. Pohland fuhr zu den Pferdeställen und hupte kurz. Gotthelf Petermann stürzte durch die Tür ins Freie.
»Chef!« rief er und riß die Tür des Wagens auf. »Da sind Sie endlich, Chef. Ich habe Sie erwartet. Die Chefin ist auch da.«
»Ich weiß, Petermann. Wem gehört der Wagen dort?«
»Dem Herrn Ludwig. Oh, hier hat sich viel verändert in den letzten Tagen. Erst kamen die Möbelwagen, alle Möbel der Chefin, der ganze linke, leere Flügel ist nun voll, und was für Möbel! Ein Rokokozimmer, ein Herrenzimmer aus Remälanz
Weitere Kostenlose Bücher