Geliebter, betrogener Mann
mich allein.«
»Und so plötzlich?«
»Wenn man dich nicht überrumpelt, wird es nie. Dann heißt es: Wo ist der Terminkalender? Was, vier Wochen? Unmöglich. Dr. Corbeck, sehen Sie mal nach, was ansteht … Ich kenne das jetzt. Ich habe keinen Konzernherrn geheiratet, sondern Micha Pohland. Und deshalb fahren wir. Es ist alles eingepackt. Und wenn du noch so böse bist; auf Capri wirst du sagen: Gerda, das war ein herrlicher Gedanke von dir.«
Michael Pohland sah, daß Gerda ehrlich von Freude und Erwartung erfüllt war. Er unterdrückte alle bösen Gedanken und das Mißtrauen, das Gerdas Worte nicht hatten verjagen können. Er schwieg, nickte und überlegte, was man in wenigen Minuten alles zu regeln habe, ehe man für vier Wochen aus der Umwelt verschwindet. Es war so viel, daß er resignierend die Schultern hob und in sein Zimmer ging, um das Persönlichste einzupacken. Gerda hielt ihn zurück.
»Wohin, Micha? Es ist alles schon im Wagen. Rasierzeug, deine Toilettenartikel, die Filmkamera, die Tennisschläger, die Angeln …«
»Dann fehle nur noch ich.«
»Genau.«
»Weißt du was, Gerda? Ich komme mir wie ein Gefangener vor, den man abtransportiert.«
»Das bist du auch.« Sie küßte ihn auf die Nasenspitze. »Ein Gefangener meiner Liebe. Und ich halte dich so lange in Fesseln, bis du einsiehst, daß es auf der Welt noch etwas anderes gibt als einen Konzern mit 6.000 Arbeitern. Nämlich mich.«
Eine Stunde später fuhren sie ab. Die Petermanns winkten ihnen nach.
»Verstehst du das, Gotthelf?« fragte Anna, als das Schlußlicht des Wagens außer Sicht war. »So plötzlich …«
»Soll das meine Sorge sein?« Petermann schob den Hut in den Nacken. »Viel schlimmer ist, daß zehn Morgen Weizen voll Unkraut sind.«
Julio hatte für alles gesorgt. Es war, als hätten sie die weiße Villa in der Felsenbucht erst vor einer Nacht verlassen und kämen nun von einem ausgedehnten Bummel zurück. Der Tisch war gedeckt, das Essen stand bereit, obgleich Julio nicht wissen konnte, mit wel chem Schiff sie kommen würden. Auf der Terrasse blühten in gro ßen Steinschalen Kamelienbüsche, und die gelben Trauben der Mimosen kletterten an der weißen Hauswand empor fast bis zum Bal kon des Schlafzimmers.
Gleich nach dem Essen fuhren sie mit dem Motorboot hinaus in die Klippen und stellten auf dem Meer den Motor ab. Vor ihnen lag die Felsenküste Capris im rotgoldenen Schein der Abendsonne. Die Schattenseite der Felsen wurde violett, das Meer blutete.
Michael Pohland saß still und nach vorn gebeugt im Boot und sah vor sich in das leicht bewegte Wasser. Gerda lag neben ihm auf dem flachen Dach der Pantry und starrte in den glutenden Himmel.
»Woran denkst du, Micha?« fragte sie plötzlich. Er drehte langsam den Kopf zu ihr.
»Vor einem Jahr hat es hier wie in einem schlechten Roman begonnen. Ich raste mit einem Boot auf dich zu, sprang hinüber, verstauchte mir den Fuß, spielte den Schwerverletzten, ließ mich von dir pflegen und wünschte, daß es immer so bleiben möge.«
»Und ist es nicht so geworden, Micha?«
»Ja …«
Sie legte den Kopf auf seine Schulter und umfaßte ihn. »Warum lügst du, Micha? Du bist nicht glücklich …«
»Doch, Liebes.«
»Nein.«
»Ich bin glücklich mit dir. Nur mich selbst kenne ich nicht mehr.«
Was rede ich da, dachte er im gleichen Augenblick. Es klingt so widerlich sentimental, und doch ist es die Stimmung, in der ich bin. Die Sentimentalität eines Clowns, der in einen Spiegel schaut und das Bild bedauert, das ihm entgegensieht. Diese Stimmung war schwer zu begreifen. Sie hatte keine sichtbare Wurzel, es war ein Schatten ohne das ihn erzeugende Licht; es war eine dunkle Ahnung, der die Möglichkeit fehlte, sich zu benennen. Es war eine Krise in ihm, die er nicht begriff, weil sie seinem bisherigen Wesen so entgegengesetzt war. Da ist ein Mann, der so ziemlich alles besitzt, was ein erfolgreiches Leben symbolisiert. Ein großes Werk, Villen, ein Landgut, mehrere Wagen, Konten auf zwanzig verschiedenen Banken in zehn Ländern, eine herrlich schöne Frau – und trotzdem hockte er jetzt in einem kleinen Motorboot, schaukelte auf den leichten Wellen des abendlichen Meeres zwischen schwärzer werdenden Felsen und stierte vor sich hin und fühlte sich leer und unbegreiflich allein.
»Ich habe dich belogen«, sagte Gerda leise und drückte ihr Gesicht in seine Halsbeuge. »Ich habe doch mit Dr. Wehrmann gesprochen.«
»Das wußte ich, Liebes.«
»Er rief mich
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