Geliebter, betrogener Mann
wovon sollen wir leben?«
»Diese Sorge nehme ich dir ab, bis du selbst etwas verdienst.«
»Onkel!« Bernd Bader streckte beide Hände aus. Aber ebenso schnell ließ er sie wieder sinken. »Aber was für eine Ehe soll das werden? Eine Ehe ohne Gemeinschaft? Soll ich meine Frau nur ansehen?«
Dechant Bader schwieg. Er starrte in die Flammen des Kamins, trat einen Holzkloben in die aufzischenden Funken und ging dann, einem tappenden Bären gleich, zurück zur Anrichte, öffnete die goldene Dose und stopfte sich eine andere Pfeife.
»Ich weiß es nicht anders, Bernd«, sagte er leise. »Ich habe sechzig Jahre nach einer strengen Lehre gelebt. Man wirft es nicht in zehn Minuten über Bord. Wenn ihr Jungen das könnt … ich werde es mit ansehen müssen, aber nicht verstehen.«
In diesem Augenblick empfand Bernd Bader tiefes Mitleid mit seinem Onkel.
Der Winter ging vorüber. Später als sonst schmolzen Eis und Schneedecke, kamen die Krokusse aus den noch fleckigen Wiesen und leuchteten die Märzenbecher fast schamhaft zwischen Placken verharschten Schnees. Aber dann kam plötzlich mit einem warmen, nächtlichen Sturm der Frühling, wehte die letzten Reste der Erinnerung an Kälte und Glätte weg und vollbrachte das Wunder, daß die kahlen Bäume einen grünen, knospigen Schimmer bekamen. Ein neues Leben aus der Tiefe der Natur.
Die Ehe Pohlands war glücklich und voller Liebe. Dreimal waren sie in diesen Monaten noch in Oberholzen bei Tutti, die sich an Michael gewöhnt hatte und stundenlang mit ihm spielte. Bei den Petermanns ging das Leben mit sechsfacher Lautstärke weiter, und Gerda Pohland kümmerte sich um Anna und den Säugling, als sei sie die Mutter und Anna nur die das Kind behütende Amme. In den Pohland-Werken lief die Produktion auf Hochtouren, die gesellschaftlichen Verpflichtungen, Besprechungen, Partys, Reiterbälle, Jagdessen und Hausbälle rissen nicht ab, und es kam vor, daß Gerda und Michael zehn Tage hintereinander von einem Essen zum anderen zogen, auf denen Pohland neue Verträge besprach und Gerda den Reichtum ihres Mannes repräsentierte. Unermüdlich war Dr. Corbeck an ihrer Seite.
Einmal sagte Pohland zu Dr. Wehrmann, der jeden Monat kam und Gerda – was niemand sah – ein neues Päckchen in die Hand drückte: »Corbeck ist eigentlich die Verkörperung dessen, was ich sein müßte. Ich esse und trinke, bringe Toasts aus, tanze Walzer und Cha-Cha-Cha, konversiere über Theater und Opern, die ich nie gesehen habe, kritisiere Bücher, die ich nur aus Zeitungsbesprechungen kenne, aber von denen man erwartet, daß ich sie gelesen habe … und während ich diesen Schaum schlage, ist Corbeck überall und sammelt die Unterschriften unter den Verträgen. Man sollte es eigentlich nie sagen, aber der Mann ist unbezahlbar.«
Im Mai war es, als Michael Pohland sehr nachdenklich zu Dr. Wehrmann in die Praxis kam. Er trat durch die Privattür ein und wartete, bis der letzte Patient gegangen war. Es war die Kommerzienratswitwe Seegländer, deren Mann mit einem Patent für einen Gürtelverschluß ein Vermögen gemacht hatte. Sie litt an zu hohem Blutdruck, was von den Sahnetorten herrührte – Dr. Wehrmann verheimlichte es nicht.
»Pohland, Sie.« Wehrmann hob den Blick zur Decke. »Wenn Sie wie ein Aussätziger durch die Hintertür kommen, wittere ich immer Unheil. Was ist denn nun schon wieder? Vorweg: Es wird wieder mal Zeit, daß Sie ausspannen. Fahren Sie ab nach Capri und erholen Sie sich da von den Strapazen der hohen Gesellschaft.«
»Es ist wegen Gerda.« Pohland setzte sich. Sein Gesicht war ernst und von einem inneren Problem gezeichnet. »Oder auch wegen mir … ich weiß es nun nicht mehr. Seien Sie wie immer grundehrlich zu mir, Doktor. Ist es möglich, daß es an mir liegt, wenn wir keine Kinder bekommen? Daß ich als Mann ein Versager bin?«
»Wie kommen Sie denn darauf?« Dr. Wehrmann setzte sich, ehrlich verblüfft. »Solche Komplexe sind neu bei Ihnen.«
»Sie liegen aber nahe, Doktor. Gerda hat ein Kind. Sie hat bewiesen, daß sie Mutter sein kann. Meine erste Ehe war hingegen kinderlos, und meine zweite Ehe droht, das gleiche zu werden. Seien Sie ehrlich: Kann es an mir liegen?«
»Natürlich«, sagte Dr. Wehrmann gedehnt. O Gott, dachte er dabei. An diese Version habe selbst ich nicht gedacht. So kann man das Problem natürlich auch sehen, und Michael Pohland ist nicht der Mann, der solche Ungewißheit ruhig und als gegeben hinnimmt.
Was Dr. Wehrmann insgeheim zu
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