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Geliebter Boss

Geliebter Boss

Titel: Geliebter Boss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Hanns Roesler
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nimmt das weiche Spiel auf. Er spielt wirklich miserabel. Dann aber schlägt ein Ball von ihm hart in die rechte Ecke, während sie den Ball vorn am Netz erwartet. Sie erreicht den Ball in letzter Sekunde, schlägt ihn hart zurück. Von da ab gewinnt das Spiel an Schärfe. Immer mehr Bälle muß Valerie passieren lassen, daß sie zum Schluß, wütend über ihr Versagen, den Platz vorzeitig nach Ende eines Satzes verläßt.
    Er springt über das Netz und holt sie ein.
    »Ich war heute schlecht in Form«, sagt er.
    »Sie waren der Bessere.«
    »Eben deswegen. Ich wäre lieber der Schlechtere gewesen. Aber wenn ich mich für eine Sache einsetze, ob ich will oder nicht, verliere ich einfach die Nerven.«
    Sie läßt sich das Rakett aus der Hand nehmen.
    »Geben Sie mir morgen Revanche?« fragt sie.
    »Wenn ich bis dahin nicht verhungert bin.«
    »Haben Sie nicht gefrühstückt?«
    »Weder gefrühstückt noch gestern zu Abend gegessen. Unser Mittagessen war meine letzte Mahlzeit.«
    »Ich kann Sie nicht ins Hotel zum Lunch mitnehmen.«
    »Ich weiß. Ein so vornehmes Hotel und ein Mann ohne Krawatte! Ich mache Ihnen einen Vorschlag.«
    Sie blickt ihn fragend an.
    »Als ich vorhin die Zeitung holte, habe ich am Kiosk zwei Hühner für uns reservieren lassen«, sagt er. »Wir könnten ein Picknick machen.«
    »Ein Picknick ist etwas, wo die Ameisen mitessen.«
    »Im Wald, ja. Auf der Erde. Aber am Bach? Auf einer Bank?«
    »Wissen Sie eine Bank am Bach?«
    »Ich habe heute früh um sechs Uhr eine für uns gesucht — kommen Sie, ich zeige sie Ihnen!«
    Er läuft zum Kiosk hinüber, holt die bestellten Hühner, vier Äpfel, etwas Brot, zahlt umständlich, dann steigen sie über eine Wiese einen Hang empor, einem Buchenwald zu, über dessen Wipfeln der spitze Turm einer kleinen Wallfahrtskirche sichtbar wird. Die Kapelle ist neben einem Gebirgsbach erbaut, der ins Tal über spitze Kiesel hinunterplätschert. Vor der Kapelle breitet sich eine kleine Waldwiese, und unter alten Bäumen stehen einzelne Bänke mit dem Blick zum See hinunter. Es ist wie ein verwunschenes Paradies, so nahe dem Verkehr. Valerie, die oft an diesem See war, kennt diese einsame Stelle nicht. Ihr Begleiter führt sie zu einer Bank und deutet ihr an, sich zu setzen. Valerie schüttelt den Kopf.
    »Diese Bank ist nicht frei.«
    »Sitzt da schon jemand?«
    »Sehen Sie nicht das Schild?«
    In der Tat, an der Lehne der Bank haftet ein Zettel, aus einem Notizbuch herausgerissen.
    »Reserviert!!!« steht darauf, mit drei Ausrufungszeichen. Ringsherum ist ein großes Herz gemalt.
    »Ja. Für uns«, sagt er.
    »Das glaube ich Ihnen nicht.«
    »Warum nicht?«
    »Weil ich Sie für zu vernünftig halte, als daß Sie solchen Schabernack anstellen.«
    »Stört Sie das Herz?«
    »Was hat das Herz mit uns zu tun?«
    »Da haben Sie recht. Was haben unsere Herzen mit uns zu tun!« Er reißt den Zettel herunter, zerknüllt ihn in seiner Tasche.
    »Ich entschuldige mich«, sagt er. »Ich entschuldige mich sehr.«
    Dann setzen sie sich, er hat den Picknickbeutel neben sich und entnimmt ihm zwei Äpfel. Reicht ihr beide.
    »Behalten Sie gleich den Ihren«, sagt Valerie.
    »Nein. Sie sollen ihn mir überreichen.«
    »Warum?«
    »Aus Tradition.«
    Valerie kommt nicht gleich darauf, was er damit sagen will. Als sie es versteht, antwortet sie schnell:
    »Paris verteilt den Apfel.«
    »Da bestand die Welt schon länger, und er hatte die Wahl zwischen drei Schönheiten, die ihm schwer genug fiel.«
    »Fällt Ihnen die Wahl auch schwer?«
    »Nee«, sagt er ungeniert, »es ist doch nur für zwei Tage, und ich hatte mich schon an der Autobahn entschieden.«
    Sie essen den Apfel, und als sie fertig sind, sagt er:
    »Ich habe einen Bärenhunger.«
    »Ich auch. Eine gute Idee von Ihnen, unser Picknick im Walde.«
    »Dazu unsere zwei Hühner!«
    »Ohne Messer und Gabel!«
    »Macht Ihnen das etwas aus?«
    »Nicht das geringste! Wenn ich mir jetzt ein knuspriges, saftiges Brathuhn vorstelle — es gibt nichts Besseres!«
    Sie sieht auf die Tasche neben sich.
    »Worauf warten wir noch?« fragt sie.
    »Also gut — es sei!«
    Er sagt es so komisch, findet sie.
    Er reicht ihr den Picknickbeutel hinüber und schaut gespannt auf ihre Hände, die den Beutel öffnen und zwei in weißes Papier eingewickelte Päckchen herausziehen. Valerie faltet das Papier auseinander, zerreißt es zum Schluß und hält plötzlich inne.
    Ihre ganze Person versteinert. Sie starrt in ihren Schoß und hält es nicht

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