Geliebter Boss
erschrocken herum.
Hat er ihre Gedanken gelesen, oder hat sie im Eifer halblaut vor sich hin gesprochen?
Da steht er wieder, als wäre nichts geschehen.
»Ich bin über die hintere Anfahrt vorgefahren«, sagt er und lacht vergnügt, als ob ihm ein Streich gelungen wäre.
Valerie starrt ihn an.
»Sie sind ja noch immer in Ihrem unmöglichen Anzug«, sagt sie entsetzt.
»Ich bin nicht dazugekommen, mich umzuziehen. Das hier erschien mir wichtiger.«
Er greift in die Tasche und zieht einen Gegenstand heraus. Es ist eine goldene Tabatiere. Er legt sie auf den Tisch.
»Daran haben Sie nicht geglaubt. Deswegen wollte ich sie Ihnen zeigen. Damit zwischen uns Ordnung ist«, sagt er.
Die schwere achtzehnkarätige Dose trägt eine gravierte Rose, der Blumenkelch ist ein Rubin.
»Gefällt sie Ihnen?“
»Es ist eine wunderschöne Arbeit.«
Er nimmt die schmale Dose in die Hand, legt sie in die ihre.
»Sie gehört Ihnen. Leihweise. Wie Sie mir den Wagen geliehen haben. Als Pfand sozusagen. Daß wir uns einmal Wiedersehen.«
»Bleiben Sie nicht hier?«
»In diesem unmöglichen Anzug? Ich könnte Ihre Reputation mindern.«
»Aber...«
»Ich muß sofort in die Stadt zurück. Die Dose gehört Ihnen, solange ich keine andere Frau finde, die mir besser gefällt als Sie. Ich habe keine Zeit für Frauen. Also haben Sie eine gewisse Chance. Wenn ich mir die Dose eines Tages zurückhole, wissen Sie Bescheid. Auch ohne Worte.«
»Wenn ich Ihnen dann die Dose nicht zurückgebe?«
»Dann stehle ich sie mir. Keine Sorge!«
»Ich weiß noch nicht einmal, wie Sie heißen.«
»Peter«, sagt er.
»Wie noch?«
»Zanders. Peter Zanders. Der Schlüssel steckt, die Papiere liegen im Wagen. Ciao!«
5
Vor zwei Stunden hatte im Zimmer von Herr Direktor Graßmann das Telefon geläutet.
»Ja? Graßmann.«
»Sie werden von Herrn Peter Zanders verlangt. Ich verbinde.« Direktor Graßmann wartet. Er starrt auf einen Kalender auf seinem Schreibtisch. Es ist der unsachlichste Kalender, den man sich vorstellen kann. Vor allem hier in der Bank. Es ist das Geschenk einer Versicherungsgesellschaft. Ein Amor in Bronze beschäftigt sich mit einer Psyche aus Bronze. Die beiden wissen, was sie tun. Die Putzfrau, die jeden Morgen säubert, nennt den Kalender: die Schweinerei.
»Hier Zanders.«
»Graßmann.«
»Ich habe mir von der Bank von meinem Konto 60 000 anweisen lassen.«
»Ich weiß davon.«
»Ich verreise leider morgen früh und brauche das Geld schon heute.«
»Ich werde es Ihnen mit einem Boten hinüberschicken.«
»Es eilt nicht. Ich bin erst am Abend zurück.«
»In Ordnung. Regina-Palast-Hotel?«
»Wie immer.«
»Vielleicht bringe ich das Geld selbst hinüber.«
»Das wäre reizend.«
»Meine Empfehlung!«
»Dasselbe! Gruß an die Frau Gemahlin, Graßmann!«
Graßmann legt den Hörer auf und macht sich eine Notiz. Auf seinem Schreibtisch liegt eine Liste der Angestellten, die morgen in Urlaub fahren. Obenauf steht der Name Birke Schulz. Er drückt den Knopf des Hausapparates und ruft hinein:
»Fräulein Schulz zu Direktor Graßmann!«
Er möchte sie nicht mit einem falschen Eindruck in Urlaub gehen lassen. Er hat sich gestern mittag verdammt ungeschickt benommen. Das will er gern richtiggestellt wissen.
»Sie haben mich rufen lassen, Herr Direktor?«
»Sie bearbeiten doch die Überweisung an Herrn Zanders.«
»Ist schon erledigt.«
»Ist die Post schon hinaus?«
»Noch nicht. Die Schecks bedürfen noch der Unterschrift.«
»Herr Zanders hat soeben angerufen. Er braucht das Geld noch heute. Wir sollen es ihm am Abend ins Hotel schicken.«
»Am Abend ist niemand mehr da. Die Kasse schließt um fünf.«
»Moment!«
Er drückt auf den Knopf des Hausapparates:
»Kassierer Seiler zu Direktor Graßmann!«
Dann wendet er sich wieder Birke zu.
»Die Anweisungen dürfen nicht mit der Post hinaus. Vielleicht bringe ich das Geld selbst hinüber. Damit fällt mir keine Perle aus der Krone.«
Birke lächelt. Es ist selten, daß sie in Graßmanns Gegenwart lächelt.
»Damit fällt keinem eine Perle aus der Krone, Herr Direktor.«
»Auch Ihnen nicht?«
»Mir wäre die Verantwortung zu groß. Bei diesem Betrag!«
»60 000«, sagt Graßmann, als ob es sich um eine Bagatelle handelt.
»Es hängt immer vom Gehalt ab, das einer bekommt. Wenn ich das Geld unterwegs verliere, müßte ich neun Jahre dafür arbeiten.«
»Kopfrechnen gut?«
»Nein. Ich habe es ausgerechnet.«
»In der besten Arbeitszeit?«
»Ich kann
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