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Geliebter Boss

Geliebter Boss

Titel: Geliebter Boss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Hanns Roesler
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wird nachforschen, die Quittung finden.
    »Wir haben eine Bestätigung hier.«
    »Eine Bestätigung?«
    »Ja. Eine Quittung über 60 000 Mark. Es ist Ihre Schrift.«
    »Meine Schrift?«
    »Einwandfrei.«
    »Moment! Ich komme sofort hinüber.«
    Bis dahin ist Birke mit den 60 000 Mark über alle Berge. Sie betrachtet das Geld vor sich. Dann schreibt sie mehr in Gedanken, ein ganzes Blatt voll Unterschriften, immer wieder:
    »Peter Zanders — Peter Zanders — Peter Zanders —«
    So wenig trennt also einen Menschen, zwölf einfache Buchstaben, so klein ist der Weg, so schmal ist die Brücke, so niedrig die Mauer von einem guten Menschen zum schlechten Menschen. Von einem Treuundbieder zum Verbrecher. Sie kann jetzt die 60 000 Mark nehmen, und schon ist sie eine reiche Person, kann sich morgen früh erlauben, im Hotel Ritz zu frühstücken. Wenn sie das Geld nicht nimmt, frühstückt sie morgen früh in ihrem möblierten Zimmer bei der Witwe Heintze. Sie weiß, daß sie bei der Witwe Heintze frühstücken wird, da ist noch ein Rest im Honigglas und ein Rest von Marmelade, der muß aufgegessen werden, ehe man auf Urlaub fährt, ohne Butter, es lohnt sich nicht, für den letzten Tag noch einzukaufen. Sie weiß ebenso genau, daß sie morgen früh am Bahnhof eine Fahrkarte zweiter Klasse nach Birkenhain lösen wird, beschleunigter Personenzug, und keine Karte erster Klasse im Südexpreß, sie weiß genau, daß sie in fünfundzwanzig Minuten das Geld im Hotel abgeben wird und dann erleichtert heimgeht, arm, aber ehrlich, eine dumme Redewendung, aber es war doch recht anregend, wenigstens einmal mit dem Gedanken zu spielen, wie es sein könnte, wenn man nicht arm und nicht ehrlich bleiben wollte.

    Birke schrickt zusammen.
    Sie hat ein Geräusch gehört.
    Als sie sich zur Glastür umwendet, erblickt sie einen Schatten. Eine Täuschung? Ein Irrtum?
    Nein, da ist der Schatten wieder.
    Unwillkürlich greift sie nach dem Geld vor sich, will es verstecken, als die Tür sich öffnet und einer ins Zimmer tritt, ein Mann außer Atem, das Haar zerzaust, das Hemd offen, ein roter Bart...
    »Nein!« schreit Birke auf.
    »Habe ich Sie erschreckt?«
    Birke starrt den Fremden an.
    »Wer sind Sie? Was wollen Sie?«
    Der Mann in Blue jeans drückt die Tür hinter sich zu. »Wer ich bin, dürfte Sie weniger interessieren. Was ich will, ist schnell gesagt. Wer in eine Bank geht, will Geld.«
    Birke schnürt es die Kehle zu.
    Sie stößt hervor:
    »Das Geld ist in der Kasse, und die Kasse ist geschlossen.«
    »Mir genügt, was Sie dort auf dem Tisch haben.«
    »Das... das... das ist kein Geld!«
    »Es sieht aber genauso aus.«
    »Das sind Blüten!«
    »Blumen?«
    »Nein. Blüten. Falschgeld.«
    »Eine ganze Menge Falschgeld für eine seriöse Bank!«
    »So sind die Zeiten!« sagt Birke. Sie weiß nicht, was sie sagt. Sie ist völlig durcheinander.
    Der Unheimliche tritt ganz nahe auf sie zu.
    »Was geschieht mit dem Falschgeld?«
    »Es — es wird verbrannt.«
    »Hier? An Ort und Stelle?“
    »Nein. Ich muß es mitnehmen und daheim verbrennen.«
    Der Rotbärtige nickt anerkennend.
    »Die Bank hat offenbar großes Vertrauen zu Ihnen. Darf ich mir eine solche Blüte einmal ansehen?«
    »Nein!« schreit Birke auf.
    Es nützt ihr nichts. Er zieht einen Schein aus dem Bündel und betrachtet ihn von allen Seiten.
    »Großartig! Bewundernswert!«
    »Sie sind von echten kaum zu unterscheiden«, stottert Birke.
    »Wer will sie unterscheiden? Ich würde mich glatt trauen, mit so einem Hundertmarkschein meine Steuern zu bezahlen.«
    »Sie bezahlen Steuern? Als Verbrecher?«
    Der Fremde läßt den Schein in seiner Hand sinken.
    Verbrecher? Wieso? Ja, richtig! Natürlich.
    »Wie schnell Sie erkannt haben, wer ich bin!«
    »Schon wie Sie aussehen!«
    »Finden Sie mich so übel?«
    »Einfach widerlich!«
    »Schade!« sagt er. »Ich bin nämlich sehr angetan von Ihnen. Ich liebe Mädchen, die Angst haben.«
    »Scheren Sie sich zum Teufel!«
    Birke versucht, an ihm vorbei zur Tür zu gelangen.
    »Hiergeblieben!« sagt der Fremde. Er faßt sie hart an.
    »Lassen Sie mich sofort los!« schreit Birke. »Wie sind Sie überhaupt hier hereingekommen?«
    »Durch ein Loch in der Wand, das die Leute gewöhnlich eine Tür nennen.«
    »Das ist unmöglich. An der Tür sitzt der Portier.«
    »Er saß. Der Portier schwimmt in seinem Blute.«
    »Mein Gott!« sagt Birke. Etwas anderes fällt ihr nicht ein. Der Tote in der Portiersloge nimmt ihr den Rest des Verstandes. Sie

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