Geliebter Boss
Welschland, Feigen und Mandeln von Mallorca. Der Kellner wird hinter ihr stehen, um aufzutischen, neue heiße Schokolade herbeizutragen und einzuschenken — das wird ein Urlaub, wie ihn noch kein zweites Mädchen, keine aus der Bank erlebt hat, nur weil sie 60 000 Mark gefunden hat, die keiner vermißte und abholte. Sie wird sich auch in Zukunft einen Rehbraten leisten können und nicht immer nur Schinkennudeln, am Sonntag einen Rehbraten und während der Woche Schinkennudeln, denn ihren Posten in der Bank würde sie nicht auf geben, das fiele ja auf, und die Verbrecher machen sich durch solche Dummheiten immer selbst verdächtig — nein, sie bliebe in der Bank, würde sich weiterhin Herrn Graßmanns plumpe Anspielungen gefallen lassen. Sie braucht sich jetzt nicht mehr darüber zu ärgern und sie als Beleidigung zu empfinden. Mit 60000 Mark in der Tasche, da sieht das Leben ganz anders aus, da kann sie Herrn Graßmann auf drei Tage nach Paris einladen, auf Probe, ob er sich als Chef bewährt!
Das ist natürlich alles eine Dummheit, das sind abseitige Ideen. Sie wird selbstverständlich das gefundene Geld, nachdem sie weiß, wem es gehört, abliefern und heilfroh über den Finderlohn sein.
»Herr Zanders, hier ist das Geld, das Sie verloren haben!«
»Mein ehrliches Fräulein! Wie soll ich Ihnen danken?«
»Seitdem die Phönizier das Geld erfunden haben...«, wird sie sagen — und er wird antworten:
»Nehmen Sie! Nehmen Sie aus dem Umschlag, wieviel Sie wollen! Die Hälfte, ein Viertel, ein Zehntel! Ich hätte es ja nicht, wenn Sie nicht wären!«
Der zehnte Teil wären 6000 Mark!
»Ich glaube, ein Prozent ist bei einem so hohen Betrag üblich«, wird er bestimmt sagen, nachdem er das Geld zweimal gezählt hat, ob auch noch alles da war.
Dieser alte knickerige Kater!
Wie alt mag er sein?
Fünfzig? Sechzig? Siebzig?
Nur alte Leute sind reich. Sicher hat er eine zittrige verschnörkelte Schrift, den ersten Buchstaben ganz groß und den Rest wie ein Strich. So unterschreiben die reichen Leute. So als: Ich habe es nicht nötig, meinen Namen lesbar zu schreiben, zerbrecht euch getrost den Kopf!
Die Schrift kann man übrigens leicht feststellen. Sie hat die Unterschriften in der Ablage, die letzten Quittungen sind abgeheftet. Sie holt das Sonderkonto 112233 hervor, mit dem Umschlag, in dem die fünf Quittungen liegen.
Sie blickt überrascht auf die Unterschrift.
In hellblauer Tinte, mit klaren Buchstaben geschrieben:
»Peter Zanders.«
Jeder Buchstabe der Unterschrift ist deutlich ausgeschrieben, die großen Buchstaben im gerechten Verhältnis zu den kleinen, kein Hochmut ist in der Schrift. Auch der Text der Quittung ist handschriftlich: »DM 40 000,— (in Worten: Vierzigtausend) in bar erhalten zu haben, bescheinigt Peter Zanders.«
Und diese:
»DM 50 000,— (in Worten: Fünfzigtausend) in bar erhalten zu haben, bescheinigt Peter Zanders.«
Das ist eine Schrift, die jedes Kind nachahmen kann.
Sie nimmt einen Zettel und schreibt darauf:
»Peter Zanders.«
Und noch einmal:
»Peter Zanders.«
Ein Kinderspiel!
Birke nimmt einen zweiten Zettel und schreibt darauf den ganzen Text:
»DM 60 000,— (in Worten: Sechzigtausend) in bar erhalten zu haben, bescheinigt Peter Zanders.«
Die nachgeahmte Schrift ist von den Originalquittungen kaum zu unterscheiden. Doch wozu die Mühe des langen handgeschriebenen Textes? Sie nimmt vier Bogen Papier, legt nach alter Gewohnheit Kohlepapier dazwischen, dann spannt sie die Seiten in die Maschine und tippt:
»DM 60 000,— (in Worten: Sechzigtausend) in bar erhalten zu haben, bescheinigt...«
Birke zieht das Papier aus der Maschine.
Sie legt die Blätter nebeneinander auf den Tisch.
Jetzt die Unterschrift. Sie schreibt:
»Peter Zanders.«
Nein, danebengegangen, noch nicht gut.
Sie nimmt das zweite Blatt, unterschreibt:
»Peter Zanders.«
Schon besser, aber noch nicht ganz.
Sie versucht es ein drittes Mal.
»Peter Zanders.«
Bravo! Geglückt!
Birke muß über ihre Spielerei lächeln. Natürlich ist es nur eine Spielerei. Ohne weitere Bedeutung. So wenig gehört also dazu, diesen Berg Geld in ihren Besitz zu bekommen. Sie nimmt die zwölf Bündel aus dem Umschlag und baut sie vor sich auf. Sie könnte jetzt das Geld in ihre Tasche schieben und die selbstverfertigte Quittung eine Stunde später in den Nachttresor werfen. Kein Mensch wird etwas merken. Frühestens am Vormittag, wenn Herr Zanders vom Hotel aus anruft und fragt, wo das Geld bleibt. Man
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