Geliebter Boss

draußen noch die Sonne scheint und der Verkehr vorüberflutet, die Autos hupen, Omnibusse vor dem roten Licht der Kreuzungen stehenbleiben, Zeitungs-
    Händler die Abendzeitung ausrufen, ein Flugzeug über den Himmel donnert — und sie steht hier einem Mann gegenüber, ist ihm hilflos ausgeliefert... Wieso hat er Gewalt über sie? Er ist doch nur ein Mann wie jeder, nicht einmal attraktiv, in Blue jeans, die sie nicht leiden kann, mit einem Bart, der ihm überhaupt nicht steht, einem roten Bart, ein Mann und ein roter Bart! Sie wird doch sonst mit den Männern fertig, aber da kommt dieser Kerl, dieser Totschläger...
    Er faßt sie ans Kinn und hebt ihren Kopf.
    »Hoppla!« stellt er überrascht fest. »Sie sind ja ein Monstrum!«
    »Lassen Sie mich in Ruhe!«
    »Sie haben ja zwei verschiedene Augen! Ein braunes und ein grünes! Ich könnte mir das nicht leisten. Gehört zu den besonderen Merkmalen. Wenn Ihnen einmal die Polizei einen Steckbrief nachjagt, hat man Sie an der nächsten Straßenecke. Besonderes Kennzeichen: ein braunes und ein grünes Auge!«
    »Ihren Steckbrief wüßte ich auch!« sagt Birke wütend. »Einen großen Mund, unverschämte Augen und Hände so gewaltig wie Goliath!«
    »Wer ist Goliath?« fragt er amüsiert.
    »Der Riese Goliath! Aus der Bibel!«
    »Sie lesen die Bibel? Ich bin überrascht«, sagt er und nimmt ein paar Blätter von ihrem Schreibtisch hoch, »wie steht es bei Ihnen mit der Redlichkeit?«
    Sie versucht, ihm die Blätter aus der Hand zu reißen.
    »Geben Sie her!«
    »Warum? Das ist eine hochinteressante Lektüre!«
    Er betrachtet die verschiedenen Empfangsbestätigungen interessiert und liest halblaut:
    »DM 60 000,- (in Worten: Sechzigtausend) in bar erhalten zu haben, bescheinigt Peter Zanders.«
    Er läßt das Blatt amüsiert sinken.
    »Eine hübsche Schrift«, sagt er.
    »Es ist nicht meine Schrift.«
    »Schade. Ich hatte gehofft, Sie heißen Peter Zanders.“
    »Wie kann ein Mädchen Peter heißen?«
    »Heutzutage? Bei den heutigen Mädchen ist alles möglich. Wie heißen Sie wirklich?«
    »Birgit«, sagt sie, ohne es zu wollen.
    Es ist ihr herausgerutscht. Sie ist wütend auf sich.
    »Birgit Zanders?«
    Sie reißt ihm das Blatt aus der Hand.
    »Es ist die Unterschrift eines Kunden.«
    Er macht eine übertriebene Verbeugung vor ihr.
    »Mein Kompliment!«
    »Lassen Sie den Unsinn!«
    »Das ist kein Unsinn. Das ist meine tiefste Anerkennung für eine Meisterleistung. Sie haben die Unterschrift großartig gefälscht. Ich könnte es selbst nicht besser.«
    »Das ist keine Fälschung!«
    »Nein? Und was ist das? Diese Vorlagen?«
    Er hat das letzte Blatt vom Tisch genommen, den Bogen, auf dem kreuz und quer geschrieben, achtzehnmal in allen Schriftgrößen die Unterschrift Peter Zanders zu lesen ist, zu Ende geschrieben und mitten im Wort abgesetzt.
    »Übung macht den Meister!« sagt er. »Sie haben fleißig geübt.«
    Er läßt sich auf den Stuhl vorm Schreibtisch fallen und legt seinen rechten Arm um ihre Hüfte. Er tut geistesabwesend, wie ein Chef bei der Unterschrift, und starrt auf den Bogen.
    »Lassen Sie mich los! Sie tun mir weh!«
    Er schüttelt den Kopf und sagt, ohne aufzusehen:
    »Jetzt wollen wir einmal deutsch miteinander reden, mein kratzbürstiges Fräulein! Ich weiß nicht, wer du bist, das interessiert mich auch gar nicht. Das einzige, was mich jetzt interessiert: du hast doch hier versucht, eine Unterschrift nachzuahmen.«
    »Nennen Sie mich nicht du!«
    »Unter Kollegen?«
    »Ich bin nicht Ihre Kollegin!“
    »Wie sich einer das Geld verschafft, das ihm nicht gehört — ob er nun einbricht oder Unterschriften fälscht...«
    »Ich habe keine Unterschrift gefälscht!«
    »Sogar mehrfach. Der Beweis liegt vor.«
    »Das war ganz anders...«
    »Heißt du Peter Zanders? Ja oder nein?«
    »Natürlich nicht.«
    »Hast du die Quittung unterschrieben?«
    Birke ist den Tränen nahe.
    »Es war doch nur eine Spielerei!«
    Der grobe Kerl zieht sie näher an sich. Legt beide Arme um sie. Sie wehrt sich.
    »Lassen Sie mich los, oder ich schreie!«
    »Es ist niemand im Haus.«
    »Der Portier!«
    »Er ist tot.«
    »Sie haben doch gesagt...«
    »Ich rede viel, wenn der Tag lang ist. Was glaubst du nun? Ist er tot oder nicht? Oder hältst du mich für so dumm, einen Zeugen am Tatort zurückzulassen?«
    »Ich bin Zeuge! Ich habe Sie gesehen! Ich werde alles sagen, was ich weiß.«
    »Bravo! Dann tu’s! Hier ist das Telefon!«
    Er schiebt ihr das Telefon hinüber. Hebt den