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Geliebter Boss

Geliebter Boss

Titel: Geliebter Boss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Hanns Roesler
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ist so verwirrt, daß sie fragt:
    »Genieren Sie sich nicht?«
    »Das sind Berufsrisiken. Wenn sich mir einer in den Weg stellt — knicks, das Messer! Knacks, der Hals! Päng, der Schuß!«
    »Abscheulich!«
    Der Fremde zuckt mit den Schultern.
    »Mich haben meine Eltern leider nichts Ordentliches lernen lassen. Ich bedaure es selbst am meisten. Glauben Sie, es macht Spaß, eine lange Reihe von Leichen an seinem Lebensweg zurückzulassen? Mit der Gewißheit, eines Tages zu hängen? Während Sie irgendwo in der Sonne lustwandeln, Tauben füttern und Ihre ungenutzte Schönheit im Bikini zur Schau tragen. Wie wäre es, wenn wir dieses Falschgeld nicht verbrennen, sondern uns damit ein paar schöne Tage machen, wir beide — verlockt Sie das nicht?«
    »Mit Ihnen?« fragt Birke entsetzt.
    »Es ist ein faires Angebot. Ich könnte auch das ganze Geld für mich behalten. Übrigens: Haben Sie das Falschgeld gezählt?«
    »Ja.«
    »Wieviel ist es?«
    »Sechzigtausend.«
    »Alles Falschgeld? Kein echter Schein darunter?«
    Birke schüttelt heftig den Kopf.
    »Also gut — dann laßt uns das löbliche Werk beginnen!«
    Er hält den Schein in seiner Hand hoch und zieht sein Feuerzeug.
    »Was tun Sie?« schreit Birke.
    »Das Geld verbrennen. Sehen Sie — so!«
    Die Flamme züngelt hoch und erfaßt den Geldschein.
    »Nein!« schreit Birke.
    Sie springt auf ihn zu. Versucht, ihm den brennenden Schein aus der Hand zu reißen. Er hält ihn mit der linken Hand hoch, während seine Rechte fest um sie liegt, daß sie die Wärme seiner Haut spürt, daß sie kaum zu atmen vermag, so fest hält er sie.
    Der Schein brennt zu Ende.
    Als er Birke losläßt, taumelt sie.
    Er fängt sie auf.
    Birke, tonlos:
    »Der Schein war echt.«
    »Was? Das Geld hier...«
    »Sind echte 60 000 Mark.«
    Da sagt der Unheimliche, der Rotbärtige, dessen Atem sie noch auf ihrem Haar spürt:
    »Na also! Dann ist das Blut des Portiers doch nicht umsonst geflossen.«

6

    Birke ist wie verwandelt.
    Sie weiß nicht, was mit ihr los ist.
    Ihre Knie zittern. Sie muß sich setzen.
    »Warum...?«
    Er steht neben ihr.
    »Warum haben Sie das getan?« fragt Birke.
    »Den Hundertmarkschein verbrannt?«
    »Das andere. Der Portier.«
    Die Uhr an der Wand gibt sieben helle Schläge.
    »Vielleicht ist es noch nicht zu spät«, sagt er. »Wäre es Ihnen lieber, er wäre noch am Leben? Wenn ich Ihnen damit eine Freude machen kann...«
    »Sie?«
    »Wenn Sie wollen, ist ihm kein Haar gekrümmt.«
    Birke springt auf. Der Stuhl hinter ihr fällt zu Boden.
    »Er lebt?«
    »Er hat nie aufgehört zu leben.«
    »Wie sind Sie an ihm vorbeigekommen?«
    »Ich habe ihm zugewinkt und gesagt: Guten Abend!“
    »Warum reden Sie so dummes Zeug?«
    Er bückt sich und richtet den Stuhl auf.
    »Also gut«, sagt er, »ich habe ihm nicht zugewinkt. Aber das sind Berufsgeheimnisse, wie ich in eine Bank hineinkom-me . Wenn es Sie beruhigt: ich neige nicht zu Gewalttätigkeiten.«
    »Also müssen Sie nicht hängen?«
    Er lacht.
    »Hat Sie das so beeindruckt?«
    Birke ist wütend auf sich selbst, daß sie sich überhaupt in ein Gespräch eingelassen hat. Sie fährt ihn an:
    »Es hat mich überhaupt nicht beeindruckt! Hängen Sie, so hoch Sie wollen! Eines Tages wird man Sie doch auf hängen! Und ich werde unter Ihrem Galgen Spazierengehen!«
    Sie faßt sich an den Hals, der noch gerötet ist von dem Druck seines Armes, als sie um den Hundertmarkschein kämpften.
    »Was Sie doch für ein grober Mensch sind!«
    »Manche Türen muß man laut aufstoßen.«
    »Ich bin keine Tür! Ich bin ein junges Mädchen!«
    »Das habe ich gespürt!«
    »Ich könnte Sie umbringen!«
    »Ich liebe nicht nur junge Mädchen in Angst, noch mehr liebe ich junge Mädchen im Zorn.«

    Er sagt es so vergnügt, als ob er nicht in eine Bank eingebrochen hätte, sondern als ob sie zusammen verliebt auf einer Bank im Grünen säßen und Limonade miteinander tränken. Ein Mann und ein Mädchen, die einfachsten Dinge der Welt. Was findet er eigentlich an ihr? So hübsch ist sie doch gar nicht. Er weiß noch nicht einmal, wie sie heißt. Aber er hat völlig vergessen, warum er hergekommen ist. Er ist hereingekommen wie ein Dieb in der Nacht. Dabei ist es noch nicht einmal Nacht. Es ist sieben Uhr, zwei Minuten nach sieben, draußen scheint die Sonne, und das letzte Tageslicht leuchtet zum Fenster herein, golden sogar, anders läßt es sich nicht bezeichnen. Vielleicht ist das gerade das Unheimliche an einer menschenleeren Bank, daß

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