Geliebter Boss
du Var mit ihrem einmaligen Ausblick nach rechts in das steinige Tal der Var und die über dem Tal liegenden Dörfer und die schneebedeckten Gipfel der Alpen, während kurz hinter der Brücke eine Straßenabzweigung nach links zum Flugplatz führt, auf dem sie erst vor wenigen Stunden angekommen sind.
Sie fahren weiter nach Cap d’Antibes . Birke hält im Fahrtwind alle die Geschenke an sich gepreßt, den Badeanzug, die erdbeerrote Badejacke, den weißen Hut und die große Badetasche.
»Müssen wir immer so weit fahren, wenn wir schwimmen wollen?«
»Wenn du den Himmel auf Erden im Sand willst!«
Sie fahren um das Cap d’Antibes herum, bis zum Grandhotel du Cap und betreten den zum Hotel gehörigen Pavillon Eden- Roc , das in den Felsen gehauene Schwimmbad, das fünf Baedekersterne hat, und als Birke wenige Minuten später vom hohen Sprungturm weit hinaus ins Meer springt, hat sie ihren kleinen Waldsee daheim völlig vergessen, das alte Ehepaar, die Klaräpfel und die Rosenkugeln vor dem Haus. Sie weiß nichts mehr von ihrem Alltag in der Bank, nichts mehr von gestern — wie weit ist das alles weg, und es sind seitdem noch keine hundert Stunden vergangen.
Zanders schwimmt neben ihr.
Er versucht, sie von seiner Kraultechnik zu überzeugen.
Rechten Arm vor und durchziehen!
Flach liegen! Flach atmen!
»Gibt es hier Haie?« fragt Birke.
»Ja. Willst du wissen, wie man ihnen begegnet?«
Er übernimmt die Rolle des angreifenden Haies.
»Keine Angriffsfläche bieten! Unbeweglich liegen! Arme eng an den Körper!«
Dann stößt er auf sie zu, wendet, kreist um ihren Körper, taucht unter, taucht auf.
»Du bist ein fauler Hai, Peter!«
»Ich bin ein satter Hai!«
»Wann verschlingst du mich?«
»Früher als du denkst!«
Dann wirft er die Arme hoch, taucht unter und bringt einen korallenroten Seestern hoch.
»Was ist das?« fragt Birke.
»Ein Seestern. Er wollte dich unbedingt sehen. Er hat mir nicht geglaubt, wie hübsch du bist!« sagt Peter und gibt den Seestern wieder frei, der langsam in die Tiefe gleitet.
»Jetzt wissen auch die Fische von dir!«
Am Abend sitzen Peter und Birke im Kasino. Sie sind die wenigen Kilometer nach Monte Carlo hinübergefahren und haben in der Dämmerung des Tages den Jardin Exotique besucht, der malerisch an einem Felsabhang liegt. Empfindliche, seltene und tropische Gewächse wachsen hier, Kakteen so hoch wie Bäume, Sukkulenten, die fünf Männer mit den Armen nicht umspannen können, Dschungelpflanzen, Mimosen, Orchideen, Rosen aus Jericho.
»Wie in einem Märchen!« ruft Birke aus.
»Wir leben auch in einem Märchen.«
»Märchen sind immer sehr kurz. Zum Schluß kommt die Hexe. Sag, Peter, bist du eigentlich verheiratet?«
»Wie kommst du darauf?«
»Es wäre doch immerhin möglich.“
»Sieh dir dieses Greisenhaupt an! Diesen Kaktus! Er blüht!«
»Warum weichst du mir aus?«
»Greisenhaupte — oder Greisenhäupter, ich weiß nicht, wie man sagt — blühen nur höchst selten. Das ist das Zeichen ihrer Lebensfreude. Glaubst du, daß dieser Kaktus hier verheiratet ist?«
»Er kann Witwer sein, und darum blüht er.«
»Also gut, nimm an, ich bin Witwer.«
»Woran ist deine Frau gestorben?«
»An dir!«
»Lach nicht! Ich meine es im Ernst!«
»Wie kann man nur so etwas Dummes im Ernst fragen! Hat dich noch nie ein verheirateter Mann geküßt?«
»Nein, noch nie.«
»Dann kannst du auch nicht den Unterschied feststellen. Deswegen muß ich es dir jetzt gestehen. Ich hoffte allerdings, ich hätte noch Zeit. Du brichst die Blume zu früh. Aber bitte, wenn du darauf bestehst: ich bin nicht verheiratet, ich war nicht verheiratet und werde auch nicht heiraten. Ich will noch in hohen Jahren, wie dieses Greisenhaupt, blühen können oder nicht blühen, ohne daß mir irgend jemand hineinredet.«
»Und wenn deine Botanik nicht stimmt?«
»Ich bin der Boß! Sie stimmt.«
Im unteren Teil des in den Felsenabhang gehauenen Gartens liegt die Grotte d’Observatoire , deren bizarre Tropfsteinbildungen als hochinteressant angepriesen werden.
Hundertfünfzig steile Stufen führen hinunter.
»Ich werde gern gehen«, sagt Birke.
»Hinunter ja. Aber wieder hinauf? 150 Stufen?«
»Ein Fahrstuhl ist geplant«, sagt der Mann, der ihnen die Eintrittskarten verkaufen will.
»Dann kommen wir wieder, wenn er fertig ist«, sagt Zanders, nimmt Birke am Arm, und sie treten auf die Moyenne Corniche hinaus und fahren hinunter über den Boulevard Prince Rainier zum Grand
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