Geliebter der Nacht
dem Verkehr konnte sie nicht einfach hin und her laufen, bis sie die Fährte wiederfand. Darius musste begriffen haben, was los war, denn er lief mit erhobenen Armen mitten auf die Straße. Hupen schrillten und wütende Rufe erklangen aus mehreren Autofenstern, wodurch sich aber weder Darius noch Lexi stören ließen. Sie trottete unverdrossen auf die Straße und suchte nach der Witterung.
Beinahe wollte sie schon aufgeben, als ihr eine schwache Wolke von irischem Klee und Whiskey entgegenwehte. Sie bellte Darius zu und folgte der Fährte.
Der Geruch führte sie vier Blocks hinunter und an massenweise Passanten vorbei, die ihr verwundert und erschrocken hinterhersahen, war der Anblick eines Wolfs in New York City doch nichts Alltägliches. Wenigstens ergriff niemand schreiend die Flucht. Lexi beachtete die Leute gar nicht, sondern lief weiter und weiter, während der Geruch des Kobolds sich mit dem von gerösteten Kastanien, Hotdogs und Abgasen vermischte.
Eines musste sie dem kleinen Kerl lassen: Selbst sturzbetrunken legte er eine ziemliche Strecke binnen kurzer Zeit zurück. Sie war jetzt schon etwas aus der Puste und fragte sich, ob Darius wohl noch mithielt. Ein kurzer Blick nach hinten verriet ihr, dass er mühelos mit ihr Schritt halten konnte.
Als die Spur sie in eine andere Seitengasse führte, wurde Lexi klar, dass nun auch der Kobold Anzeichen von Erschöpfung zeigte, denn er war soeben in eine Sackgasse gelaufen.
Lexi verlangsamte ihr Tempo und konzentrierte sich auf ihre übrigen Sinne. Ihre Mühe wurde belohnt, denn ihre Wolfsohren vermeldeten heftiges Atmen. Weit konnte er also nicht mehr sein.
»Der Trick beim Umgang mit Kobolden«, sagte Darius leise neben ihr, »ist der, dass man ihnen nie Zeit zum Überlegen geben darf.«
Lexi verstand auf Anhieb und verfiel wieder in einen schnellen Laufschritt, in dem sie der Geruchsspur in die Gasse folgte. Weiter vorn war ein Müllcontainer, neben dem sie anhielt und lauschte. Ein Kratzgeräusch hinter einem umgekippten Karton in der Nähe erregte ihre Aufmerksamkeit, und sie sprang kurzerhand auf den Karton.
Mehr brauchte es nicht, um den kleinen Mann hervorzuscheuchen. Der war so sehr damit beschäftigt, Lexi im Auge zu behalten, dass er zum zweiten Mal heute Abend mit Karacho gegen die Wand rannte und platt auf dem Rücken landete. Nun jedoch gab Lexi ihm keine Chance, sich wieder aufzurappeln und ihr zu entwischen. Stattdessen sprang sie auf ihn und hielt ihn knurrend und mit gebleckten Zähnen am Boden.
Darius kam und schlang dem Kobold eine goldene Schnur um den Hals. »Das wird dich davon abhalten, noch einmal abzuhauen«, sagte er.
Darius hielt das andere Ende der Schnur locker in einer Hand, und noch ehe Lexi ihn knurrend warnen konnte, machte ihr kleiner Gefangener einen Satz und warf sich gegen die Mauer. Diesmal drang tatsächlich einiges von ihm hindurch, aber sein Kopf, sein Hals und seine Schulter blieben diesseits der Mauer, gehalten von der Schnur.
»Du kannst mich nicht fesseln«, keuchte der Kobold, und es klang wie eine Katze, die einen Fellball auswürgte. Selbst in ihrer Wolfsgestalt hätte Lexi gern die Augen verdreht.
Der Kobold mühte sich vergebens, die goldene Schnur loszuwerden, und als das nichts nützte, fing er an, auf und ab zu hüpfen und an der Schnur zu zerren. Er sah ein bisschen wie ein Barsch aus, der am Ende einer Angelschnur zurrte – den Mund weit geöffnet und hektisch herumzappelnd.
Darius hielt unterdessen die Schnur fest und amüsierte sich sehr über die Versuche des kleinen Mannes, ihm zu entkommen. »Der geht nirgends hin«, sagte er zu Lexi. »Du kannst dich wieder zurückverwandeln.«
Die schmale schwarze Wölfin betrachtete ihn mit ihren durchdringenden grauen Augen. Selbst in dieser Gestalt war sie noch umwerfend.
Natürlich gebot der Anstand, dass er sich abwandte, aber er konnte einfach nicht widerstehen. Die Verlockung, ihre Wandlung mitanzusehen, war schlicht zu groß. Während die Luft um sie herum zu flirren schien, nahm sie ihre weibliche Menschengestalt an, und ihre Alabasterhaut leuchtete umso mehr, als sie bis zur Hüfte von ihrem offenen schwarzen Haar eingerahmt war. Darius juckte es in den Fingern, ihre Brüste zu berühren, die sich in der kühlen Abendluft leicht aufrichteten. Von ihren perfekten Hüften ganz zu schweigen, die sich einladend rundeten und Darius’ Blick geradewegs zu dem kleinen Dreieck dunkler Locken führten und von dort zu ihren vollkommenen Beinen. Was
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