Geliebter Freibeuter
vertreiben Euch doch nicht etwa aus Eurer Kajüte?«, rief Eloise und sah sich um. »Das können wir auf keinen Fall zulassen …«
»Es ist eine Selbstverständlichkeit«, unterbrach der Captain mit einem freundlichen Lächeln. »Bei einer solchen Fahrt halte ich mich nur zum Schlafen unter Deck auf und habe mein Lager bereits in der Kajüte des Ersten Offiziers, Mister Fenston, aufgeschlagen.«
Lord Gilbert nickte wohlgefällig. Für ihn war es selbstverständlich, dass seine Tochter die beste Unterkunft an Bord erhielt.
»Wie lange werdet Ihr für die Überfahrt benötigen, Captain?«, fragte er interessiert.
»Bei gutem Wind und wenn wir nicht in Stürme geraten, ungefähr sechs bis sieben Wochen. Wir werden ein paar Tage auf den Azoren anlegen, um unsere Vorräte aufzufüllen, dann die restliche Strecke durchsegeln. Ihr braucht Euch keine Sorgen zu machen, Mylord, mein Schiff und ich haben den Weg in den vergangenen drei Jahren bereits fünf Mal zurückgelegt.«
Eloises Vater nickte wohlwollend, bemerkte dann aberdoch mit Sorge in der Stimme: »Wie sind Eure Erfahrungen mit den Piraten, die besonders rund um die karibischen Inseln ihr Unwesen treiben? Ich sehe, Euer Schiff ist für einen Kampf gerüstet, dennoch würde ich es begrüßen, wenn eine Konfrontation vermieden werden könnte.«
Captain Carrick blickte besorgt von Lady Gilbert zu Eloise. Er war unsicher, ob dieses Thema vor den Damen erörtert werden konnte, aber Eloise ermunterte ihn: »Sprecht ruhig offen, Captain. Meine Zofe und ich wissen, welche Gefahren eine solche Reise birgt.«
»Selbstverständlich werden wir alles tun, um einer Begegnung mit den Freibeutern auszuweichen, Mylord. Das hat meiner Meinung nach nichts mit Feigheit zu tun, sondern wir sind ein Handels- und kein Kriegsschiff. Zwar ist die
Queen Beth
auch für einen Kampf gerüstet, aber meine Männer und ich verabscheuen Gewalt. Sollte es nötig sein, werden wir uns allerdings gegen einen Angriff wehren. Vielleicht habt Ihr von dem Piraten Dark Flynn gehört, der in diesen Gewässern sein Unwesen treibt. Dieser Verbrecher scheint das ganze Territorium zu beherrschen und verfügt über Schlupfwinkel auf einigen der zahlreichen Karibikinseln.«
Bei der Erwähnung des Namens von Ryans Mörder – etwas anderes war dieser Pirat für Eloise nicht – fühlte Eloise einen Klumpen im Magen, und sie ballte die Hände zu Fäusten.
»Sir David Morgan, mein … Verlobter …, hat berichtet, dass es niemandem gelingt, diesem Piraten das Handwerk zu legen.«
»Möge Gott verhüten, dass wir diesem Scheusal begegnen!« Zum ersten Mal hatte Kate das Wort ergriffen, und sie schauderte. Captain Carrick versuchte, einen unbekümmerten Eindruck zu vermitteln.
»Ich glaube nicht, dass wir Gefahr laufen, ausgerechnet von Dark Flynn angegriffen zu werden, denn wir führen nicht die Waren mit uns, auf die Flynn aus ist. Seit einigen Jahren hat sich der Freibeuter auf die Kaperung von Schiffen spezialisiert, die …«
»Ihr habt völlig recht, Captain, dieser Pirat wird es nicht wagen, Euer Schiff anzugreifen!« Mit ungewöhnlich scharfer Stimme fiel Lord Gilbert dem Captain ins Wort, und Eloise schien es, als würde der Vater den Captain durchdringend ansehen, damit dieser schwieg. Was wollte der Vater vor ihr verheimlichen? Bevor Eloise nachfragen konnte, fuhr Lord Gilbert schnell fort: »Ich denke, es ist an der Zeit, von Bord zu gehen.« Er wandte sich Eloise zu und streckte die Hände aus, die Eloise ergriff und fest drückte. »Wir sagen nicht Lebewohl, meine Tochter, sondern wir werden euch bald besuchen, oder du und dein Mann kommt wieder nach England.«
Eloise schluckte den Kloß im Hals hinunter, konnte aber nicht verhindern, dass eine Träne über ihre Wange kullerte, als ihre Mutter sie umarmte und zärtlich auf die Wange küsste.
Kurz nachdem die Eltern den Segler verlassen hatten, hörten Eloise und Kate laute Befehle an Deck. Durch das Bullauge der Kajüte konnten sie beobachten, wie die Leinen gelöst und an Bord geworfen wurden. Ein lautes rasselndes Geräusch sagte Eloise, dass der Anker gelichtet wurde, und kurz darauf ging ein Ruck durch das Schiff. Die Kaimauer entfernte sich, und langsam wurden die Häuser immer kleiner.
Eloise wandte sich um und lächelte Kate aufmunternd an, die sich ängstlich an den Pfosten, der die Kajüte in der Mitte teilte, klammerte.
»Es geht los, Kate!«, rief Eloise, und alle Bedenken fielen von ihr ab. Das Abenteuer hatte begonnen, und es
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