Geliebter Freibeuter
Vater, aber ich verzeihe dir. Du hast getan, was du für richtig gehalten hast. Geh in Frieden. In meinem Herzen wirst du immer weiterleben.«
Eloises Eltern waren völlig aufgelöst, ihre Mutter erlitt einen Ohnmachtsanfall, als Eloise plötzlich vor ihnen stand. In den letzten Monaten waren verwirrende Nachrichten aus der Karibik nach Cornwall gedrungen – einmal hieß es, Eloise wäre von dem Piraten getötet worden, dann wieder, sie erfreue sich bester Gesundheit und hätte wie geplant David Morgan geheiratet.Lord Gilbert, Eloises Vater, hatte bereits alles Nötige veranlasst und wollte in wenigen Wochen selbst nach Jamaika segeln, um nach seiner Tochter zu forschen. Und jetzt stand sie gesund und munter als verheiratete Frau vor ihm. Hatten sich die Familien bereits nach Ryans damaligem Verschwinden miteinander versöhnt, so war von der einstigen Abneigung nichts mehr zu spüren. Ryan wurde von den Gilberts wie ein verlorener Sohn in ihrer Mitte aufgenommen.
Der Abend dämmerte, und der Regen ließ endlich ein wenig nach. Eloise hatte es sich nicht nehmen lassen, den Kamin in der Bibliothek selbst zu entzünden, obwohl genügend Personal im Haus vorhanden war. Wohlig räkelte sich Ryan in einem Sessel vor dem wärmenden Feuer, in der Hand ein Glas Rotwein.
»Ich hatte vergessen, wie kalt und wüst das Wetter in England sein kann.«
Eloise lächelte und legte sich eine Wolldecke um die Schultern. Es würde noch einige Zeit dauern, bis das Feuer den Raum mit Wärme erfüllte.
»Das Anwesen wird offenbar von einem guten Verwalter geführt«, sagte sie und zwinkerte ihm liebevoll zu. »Es spricht nichts dagegen, wieder in die Karibik zu segeln. Du möchtest doch ebenso wie ich wissen, wie es Kate, Cubert und den anderen ergeht.«
»Wir sind doch gerade erst angekommen …«
»Ja, und ich glaube, wir müssen auch noch ein Weilchen bleiben.« Nachdenklich zog Eloise die Unterlippe zwischen die Zähne, bevor sie fortfuhr: »Ich würde den künftigen Erben der Mitchells nämlich lieber in England als auf Mantana Island zur Welt bringen.«
»Hm …« Ryan nahm einen Schluck Rotwein, erst dann erschloss sich ihm die Aussage von Eloises Worten. Prompt verschluckte er sich und musste so stark husten, dass Eloise ihm heftig auf den Rücken klopfte. Nach Luft schnappend und mit hochroten Wangen riss er Eloise in seine Arme.
»Was hast du da gerade gesagt?«
Sie lächelte verschmitzt. »Nichts gegen das Wissen und die Fertigkeiten der Farbigen, aber ich vertraue den englischen Ärzten doch ein wenig mehr. Nicht, dass ich denke, es könne zu Komplikationen kommen, aber sicher ist sicher …«
»Du erwartest ein Kind?« Ryan konnte es immer noch nicht fassen. »Wie ist das möglich?«
Eloise prustete los. »Mein lieber Ryan Mitchell, muss ich dir wirklich erklären, wie Kinder entstehen? Also, man nimmt einen Mann und eine Frau, die sich beide sehr, sehr lieben, und dann …«
Mit einem Kuss erstickte Ryan ihre Worte. Als sie sich später atemlos von ihm löste, strahlten seine dunklen Augen wie poliertes Ebenholz.
»Ja, das Kind soll in dem Haus seiner Vorfahren das Licht der Welt erblicken, dann sehen wir weiter. Ich bin sicher, sie wird eine ebensolche Abenteuerin wie ihre Mutter.«
»Sie?« Eloise unterbrach ihn erstaunt. »Wünschst du dir denn nicht wie jeder Mann als erstes Kind einen Sohn und Erben?«
Er schüttelte den Kopf, umfasste ihre noch schmale Taille mit beiden Händen und wirbelte sie im Kreis herum.
»Ob Sohn oder Tochter, das ist völlig egal. Hauptsache, es hat deine grünen Augen und dein Temperament.«
Eloise lachte voller Glück.
»Wenn ich mir vorstelle, dass es auch noch etwas von deinemTemperament erbt, dann stehen uns ja muntere Zeiten bevor. Wir werden keine ruhige Minute mehr haben.«
Sachte stellte Ryan Eloise wieder auf die Füße, legte zwei Finger unter ihr Kinn, hob ihren Kopf an und sah ihr liebevoll in die Augen.
»Alles andere wäre auch langweilig, nicht wahr, meine Liebste? Unser Leben wird immer ein Abenteuer bleiben, denn uns beiden steckt die Abenteuerlust im Blut.«
Eloise schmiegte sich eng an Ryans Brust. Sie war unsäglich glücklich und sah der Zukunft gespannt entgegen.
Einer Zukunft, die strahlender und vielversprechender nicht hätte sein können …
Über die Autorin:
Rebecca Michéle ist seit ihrer Jugend von Großbritannien und britischer Geschichte fasziniert, und bei regelmäßigen Reisen recherchiert
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