Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Geliebter Fremder

Geliebter Fremder

Titel: Geliebter Fremder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Kleypas
Vom Netzwerk:
die Menschen empfinden, die er täuschte.
    Jede andere Frau hätte ihren eigenen Ehemann erkannt, dachte Lara dumpf. Aber sie hatte seine Lügen geglaubt, weil sie ihm glauben wollte.
    Als ihr Janet Crosslands hasserfüllte Anschuldigung einfiel – Wie begierig du daraufbist, mit einem völlig Fremden ins Bett zu gehen! –, wäre Lara vor Scham am liebsten gestorben. Es war die Wahrheit gewesen. Von Anfang an hatte sie ihn gewollt, instinktiv und unbedingt. Alles in ihr hatte sie zu ihm gedrängt. Und deshalb hatte sie auch alles geschehen lassen.
    Demütigung, Wut und Angst erfüllten sie. Sie konnte den Schmerz nicht ertragen. Wie ein zu Tode erschrecktes Kind saß sie zusammengekauert in der Kutsche und fragte sich, warum sie nicht weinte. Alles, was ihr Leben ausgemacht hatte, war ihr auf einmal genommen. In ihr tobte ein Sturm der Gefühle, aber nichts drang nach außen – sie war wie ein Eisblock.
    Verzweifelt rang sie nach Fassung. Sie musste sich einen Plan zurechtlegen. Aber sie konnte einfach nicht klar denken. Am liebsten wäre ihr gewesen, die Kutsche würde immer weiter fahren, bis ans Ende der Welt. Sie konnte jetzt nicht nach Hause. Sie brauchte Hilfe. Aber der einzige Mensch, zu dem sie sich flüchten wollte, hatte sie betrogen.
    »Hunter«, flüsterte sie verzweifelt. Aber der echte Hunter war tot und der Mann, den sie für ihren Ehemann gehalten hatte … sie kannte ja noch nicht einmal seinen Namen. Ein hysterisches Lachen stieg in ihr auf, aber sie unterdrückte es, aus Angst, sie könne damit nicht wieder aufhören und würde am Ende noch im Irrenhaus landen.
    Obwohl das unter den gegebenen Umständen sicher gar nicht so übel wäre – dort konnte man wenigstens so viel schreien, lachen und mit dem Kopf gegen die Wand schlagen, wie man wollte.
    Sie zwang sich jedoch mit all ihrer Willenskraft, ruhig zu bleiben, und wartete geduldig, bis die Kutsche in Hawksworth Hall ankam. Sie hatte kein Zeitgefühl – es konnte Minuten oder auch Stunden gedauert haben, bis das Gefährt zum Stehen kam und der Lakai besorgt zur Tür hineinblickte.
    »Mylady.« Er geleitete sie vorsichtig ins Haus. Lara war klar, dass sie einen äußerst befremdlichen Eindruck machen musste. Die Dienstboten behandelten sie so nachsichtig und ehrerbietig, als sei sie eine kränkliche alte Dame.
    »Mylady«, fragte Mrs. Gorst besorgt, »kann ich irgendetwas für Sie tun? Sie wirken so …«
    »Ich bin nur etwas müde«, erwiderte Lara. »Ich möchte mich in meinem Zimmer ausruhen. Bitte, sorgen Sie dafür, dass ich nicht gestört werde.«
    Mühsam schleppte sie sich die Treppe hinauf.
    Oben im Flur warf Lara einen Blick in den Spiegel und verstand, warum die Dienstboten so besorgt gewesen waren. Sie sah fiebrig aus, mit großen, kummervollen Augen. Ihr Gesicht war so rot, als habe sie einen Sonnenbrand. Aber die heiße Rötung rührte von ihrer inneren Scham und Wut her, nicht von einem äußeren Anlass.
    Kurzatmig ging Lara auf ihr Zimmer zu, fand sich aber auf einmal vor Rachels Tür wieder. Sie klopfte leise und als sie hineinblickte, sah sie ihre Schwester am Fenster sitzen.
    »Larissa«, sagte Rachel lächelnd, »komm herein und erzähl mir von deinem Besuch bei den Tylers.« Als sie jedoch Laras Gesicht sah, runzelte sie die Stirn. »Was ist? Was ist los?«
    Lara schüttelte den Kopf, unfähig, auch nur ein Wort hervorzubringen. Ihre Kehle war wie zugeschnürt. Sie schluckte ein paarmal und brachte dann hervor: »Rachel, ich wollte dich hier haben, damit ich für dich sorgen kann, aber … es tut mir so Leid … stattdessen wirst du dich um mich kümmern müssen.«
    Rachel breitete die Arme aus. Sie kehrten ihre üblichen Rollen um, indem die jüngere jetzt der älteren Schwester Trost anbot. Lara nahm ihn an, ohne zu zögern.
    Sie sank zu Boden und legte den Kopf in Rachels Schoß. »Ich bin so dumm«, keuchte sie. Und dann brach die ganze Geschichte aus ihr heraus. Lara bekannte alles, jede demütigende, quälende Einzelheit, während Rachel ihr begütigend über die Haare strich. Und endlich konnte sie auch weinen und ihr ganzer Körper wurde von heftigem Schluchzen erschüttert.
    »Ist schon gut«, murmelte Rachel immer wieder. »Ist schon gut.«
    »Nein«, schluchzte Lara verzweifelt. »Nichts wird jemals wieder gut sein. Ich erwarte ein Kind von ihm! Ein Kind, verstehst du?«
    Rachels Hände zitterten. »Oh, mein Liebling«, flüsterte sie und hörte schweigend weiter zu.
    »Captain Tyler irrt sich

Weitere Kostenlose Bücher