Geliebter Fremder
wie sie ihn sonst nennen sollte – schon in ihrem Leben war. Drei Monate. Die erfüllendste Zeit ihres Lebens. Sie hatte eine Freude erfahren, die nur wenigen Menschen vergönnt war. Unter dem Zauber seiner freundlichen, leidenschaftlichen und liebenden Gegenwart war sie aufgeblüht. Wäre der Schmerz nicht so groß gewesen, hätte sie den Preis nur zu gern bezahlt.
Lara versuchte, sich auf das Gespräch mit Hunter vorzubereiten, wenn er aus London zurückkam. Es sollte würdevoll und ruhig verlaufen. Aber alles, was ihr einfiel, waren Fragen. Um allein zu sein, ging sie in den Garten, setzte sich dort auf eine Bank und starrte auf den Brunnen mit dem kleinen, Wasser speienden Cherub. Eine milde Brise wehte durch die ordentlich gestutzten Bäume und wiegte die Blumen in den großen Terrakottatöpfen. Sie atmete den heißen, süßen Duft des Grases ein und rieb sich die Schläfen, um den pochenden Schmerz in ihrem Kopf zu lindern.
Plötzlich kamen, wie aus einem Albtraum entsprungen, zwei Gestalten auf sie zu. Arthur und Janet Crossland. So bald schon, dachte sie düster. Aber natürlich setzten sie alles daran, den Titel so schnell wie möglich wieder zu bekommen, wie Geier, die über einem verendenden Tier kreisten. Sie wirkten so selbstgefällig wie immer und traten lächelnd auf sie zu.
Janet gab Arthur keine Gelegenheit, als Erster das Wort zu ergreifen. »Es hat lange genug gedauert, bis du wieder zu Verstand gekommen bist«, sagte sie säuerlich. »Nun ist deine kleine Eskapade wohl vorüber und wir können zurückbekommen, was uns rechtmäßig zusteht.«
»Ja«, erwiderte Lara tonlos. »Die Eskapade ist vorüber.«
Arthur ergriff ihre Hand und drückte sie in gespielter Anteilnahme. »Meine liebe Nichte, ich möchte dir mein Mitgefühl für das aussprechen, was du erlitten hast. Du bist getäuscht worden, betrogen, gedemütigt …«
»Mir ist vollkommen bewusst, was ich durchgemacht habe«, unterbrach Lara ihn. »Du brauchst es nicht noch zu wiederholen.«
Sichtlich überrascht über ihre Zurechtweisung räusperte sich Arthur. »Du bist nicht bei dir, Larissa. Ich übersehe deine Grobheit, weil ich weiß, wie verwirrt und niedergeschlagen du bist.«
Janet verschränkte die knochigen Arme vor der Brust und betrachtete Lara mit einem kalten Lächeln. »Mir kommt sie nicht verwirrt vor«, bemerkte sie. »Eher wie ein trotziges Kind, dem man seinen Lutscher weggenommen hat.«
Arthur drehte sich zu seiner Frau um und murmelte leise einige Worte. Das genügte offenbar, um sie zumindest eine Zeit lang zum Schweigen zu bringen. Mit einem falschen Lächeln wandte er sich wieder an Lara. »Deine Wahl des Zeitpunkts war vollkommen, liebe Larissa. Es war genau das Richtige zu warten, bis er von hier weg ist und dann nach mir zu schicken. Ich habe dafür gesorgt, dass er in London unter Arrest gestellt wurde. Obwohl ich ihn am liebsten im Gefängnis gesehen hätte, ist es mir leider nur gelungen, ihn im Stadthaus der Hawksworths unter Bewachung stellen zu lassen, bis er vor Gericht kommt. Die Sache muss natürlich vor dem Oberhaus verhandelt werden, weil er ja von Gleichgestellten verurteilt werden muss – sie werden allerdings rasch herausfinden, dass er nicht einer der ihren ist.«
Lara konnte sich nicht vorstellen, dass der Mann, den sie für ihren Ehemann gehalten hatte, unter Bewachung stand. Die Beschneidung seiner Freiheit würde ihn sicherlich wahnsinnig machen. Und noch schlimmer war die Vorstellung, ihn vor Gericht zu sehen … Sie unterdrückte einen leisen Schrei. Er war so stolz. Sie wollte nicht zusehen, wie sie ihn in Stücke rissen. »Muss er sich vor dem Oberhaus verantworten?«, fragte sie dumpf.
»Zuerst wird der Lordkanzler unsere Aussagen in einer privaten Sitzung prüfen, und wenn er nicht beschließt, den Fall abzuweisen – was völlig unwahrscheinlich ist –, dann wird es selbstverständlich eine Gerichtsverhandlung geben.« Arthur lächelte boshaft. »Oh, binnen kurzem wird unser angeblicher Hawksworth an einem Strick baumeln. Ich werde den Henker bitten, darauf zu achten, dass er sich nicht schon vorher den Hals bricht, damit er ordentlich keucht und blau anläuft, wenn ihm das Seil die Luft abschnürt. Und ich werde da sein und es genießen, ihn zappeln zu sehen …« Er brach ab, als Lara ein erstickter Laut entfuhr. Sofort verzog er das Gesicht in pflichtbewusster Sorge. »Meine Liebe, wir lassen dich jetzt allein. Du wirst sehen, es geschieht alles zu deinem
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