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Geliebter Fremder

Geliebter Fremder

Titel: Geliebter Fremder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Kleypas
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hier erzähle, stellte sich als ideal heraus.«
    »Wegen seiner Intelligenz und weil er sich mit den Eingeborenen verständigen konnte«, sagte Lara.
    »Genau. Aber er besaß noch etwas anderes … eine einzigartige Fähigkeit, sich selbst je nach der Situation zu verwandeln. Ich habe noch nie ein solches Chamäleon erlebt. Er konnte jede Erscheinung, jeden Akzent, jedes Verhalten annehmen. Ich sah ihn mit den Einheimischen umgehen, als sei er einer von ihnen, und später besuchte er den Ball des Botschafters als korrekter Engländer, ohne auch nur den kleinsten Verdacht zu erregen. Er war ausdauernd wie ein Tiger und auch genauso skrupellos. Ich setzte ihn als Spion ein und manchmal auch als …«
    Tyler schwieg und blickte unbehaglich vor sich hin. »Als Waffe, könnte man sagen«, beendete er schließlich seinen Satz.
    »Hat er Leute für sie exekutiert?«, fragte Lara angewidert.
    Der Captain nickte. »Wenn es schnell und unauffällig geschehen musste. Ich glaube, er hat es wie die Inder gemacht, mit einer Münze, die in ein Taschentuch geknotet wurde – sie vergießen nicht gerne Blut, wissen Sie.«
    Da er an Laras Gesichtsausdruck sah, dass er zu weit gegangen war, runzelte er entschuldigend die Stirn.
    »Verzeihen Sie mir, Mylady. Ich hätte nicht so deutlich werden sollen – aber ich möchte Ihnen gern den Charakter des Mannes vermitteln.«
    »Charakter«, wiederholte Lara mit einem humorlosen Auflachen. »Mir kommt es eher so vor, als habe er überhaupt keinen Charakter gehabt.«
    »Ja, so könnte man sagen.«
    »Was ist mit ihm geschehen?«, fragte Lara ohne großes Interesse, um das unerfreuliche Thema so rasch wie möglich abzuschließen. »Ist er immer noch in Indien und dient unter einem anderen Kommando?«
    Der Captain schüttelte den Kopf. »Er ist eines Tages einfach verschwunden. Ich nahm an, er sei getötet worden oder habe Selbstmord begangen. Er hatte nicht viel, für das es sich zu leben lohnte, jedenfalls soweit Ich weiß. Ich habe ihn nie wiedergesehen. Bis …«
    »Ja?«, drängte sie.
    Captain Tyler ließ sich so lange Zeit, dass sie schon dachte, er wolle gar nicht weiterreden. »Bis ich nach England kam«, sagte er schließlich. »Und an der Dinnerparty in Hawksworth Hall teilnahm. Und ihn an Ihrer Seite sah.« Er blickte sie mitleidig an. »Mylady, die unerfreuliche Wahrheit ist… er hat den Platz Ihres Ehemannes eingenommen.«
    Lara wurde es schwindlig und alles drehte sich um sie. Die Stimme Captain Tylers schien von weit her zu kommen und sie hörte nur ein schwaches Echo seiner Worte. »… hätte ich vorher sagen sollen … Verpflichtungen … nicht sicher … bitte, glauben Sie … Ihnen auf jede Art behilflich sein …«
    Sie schüttelte den Kopf. Sie hatte das Gefühl, jemand habe sie niedergeschlagen. Wie betäubt bemühte sie »Ich, Luft zu holen, aber etwas Schweres lastete auf ihrer Brust und sie konnte kaum atmen. »Sie irren sich«, presste sie hervor. Sie spürte seine Besorgnis, hörte, wie er sie bat, zu bleiben und sich zu erholen, etwas zu trinken …
    »Nein, ich kann nicht bleiben.« Zu ihrer Erleichterung gelang es ihr, eine Art von Würde aufrechtzuerhalten, die es ihr ermöglichte, mehr oder weniger deutlich zu sprechen. »Meine Schwester braucht mich. Danke. Sie irren sich, was meinen Gemahl betrifft. Er ist keineswegs der Mann, den Sie beschrieben haben. Guten Tag.«
    Auf zitternden Knien taumelte sie hinaus. Sie fühlte sich äußerst seltsam und es war eine Erleichterung, dass ihr Lakai sie zu ihrer Kutsche begleitete, wo sie sich in das vertraute Innere flüchten konnte. Der Lakai, der spürte, dass etwas nicht stimmte, fragte sie, ob es ihr gut gehe. »Fahr mich nach Hause«, flüsterte Lara und starrte blicklos vor sich hin.

Kapitel 18
    Steif wie eine Wachspuppe saß Lara in der Kutsche. Gedankensplitter und Satzfetzen wirbelten durch ihren Kopf.
    Die unerfreuliche Wahrheit ist… Behalt mich bei dir, Lara.
    …er hat den Platz Ihres Ehemannes eingenommen. Ich will dich nicht verlassen. Liebst du mich? Ja, ja …
    Es war so entsetzlich grausam. Endlich hatte sie gelernt, einem Mann zu vertrauen, hatte ihm ihr Herz und ihre Seele geschenkt… und alles war nur Illusion gewesen.
    Ein Chamäleon, hatte der Captain gesagt. Ein Mann ohne Gewissen und Schuldbewusstsein. Ein kaltblütiger Mörder. Er hatte sie manipuliert und verführt. Er hatte Hunters Namen, sein Geld, seinen Besitz und sogar seine Frau gestohlen. Welche Verachtung musste er für

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