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Geliebter Fremder

Geliebter Fremder

Titel: Geliebter Fremder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Kleypas
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lächelte, während sie ihr Kleid ordnete und ihre Brüste wieder ins Mieder schob. Zufrieden mit ihrer Erscheinung eilte sie davon, ohne den Mann in der Ecke zu bemerken.
    Leise betrat er den Raum und sah einen großen, breitschultrigen Mann, der mit dem Rücken zu ihm stand und gerade dabei war, seine Hose zu schließen. Als der Mann den Kopf drehte, enthüllte er ein klassisches Profil mit einer langen Nase, einem energischen Kinn und einer Stirn, über die ein Büschel schwarzer Haare fiel. Es war Hawksworth.
    Er trat zu einem Schreibtisch, dessen Platte mit grünem Leder bezogen war, und ergriff ein Glas mit einer goldbraunen Flüssigkeit. Er schien zu spüren, dass er nicht allein war, und drehte sich um. Er blickte den Eindringling direkt an. »Verdammt!«, rief er verblüfft aus. »Wer sind Sie? Warum schleichen Sie sich hier herein? Ich verlange eine Erklärung!«
    »Es tut mir Leid«, erwiderte er. Er zog seine Kapuze ab und sah Hawksworth an, dessen Gesicht dem seinen auf so unheimliche Weise ähnlich war.
    Auch Hawksworth entging die Ähnlichkeit nicht. »Meine Güte!«, murmelte er, stellte sein Glas ab und trat näher.
    Zwei braune Augenpaare starrten sich fasziniert an.
    Sie waren nicht identisch … Hawksworth war dunkler, kräftiger und er hatte das teure, wohlgepflegte Aussehen eines Vollbluts. Aber jeder, der die beiden zusammen gesehen hätte, hätte sofort erkannt, dass sie miteinander verwandt waren.
    »Wer, zum Teufel, sind Sie?«, schnappte Hawksworth.
    »Ich bin dein Halbbruder«, erwiderte er ruhig und beobachtete das verwirrte Mienenspiel Hawksworths.
    »Mein Gott«, murmelte Hawksworth schließlich und griff erneut nach seinem Glas. Er stürzte den Inhalt so rasch herunter, dass er husten musste. Dann betrachtete er mit gerötetem Gesicht den Fremden. »Der Seitensprung meines Vaters«, sagte er rau. »Er hat mir einmal von dir erzählt, allerdings hat er nicht gesagt, was aus dir geworden ist.«
    »Ich bin bei Missionaren in Nandagon aufgewachsen …«
    »Dein Leben interessiert mich einen Dreck«, unterbrach Hawksworth ihn. »Ich kann mir schon denken, warum du hierher gekommen bist. Glaub mir, es gibt genug Blutsauger, die an mir zerren. Willst du Geld?« Er holte eine Kassette aus der Schreibtischschublade, griff hinein und zog eine Handvoll Münzen heraus, die er vor ihm auf den Fußboden warf. »Nimm das und verschwinde. Ich versichere dir, das ist alles, was du jemals von mir bekommen wirst.«
    »Ich will kein Geld.« Gedemütigt und wütend stand er wie erstarrt inmitten der Münzen.
    »Was willst du dann?«, fragte Hawksworth.
    Er konnte nicht antworten, stand nur da wie ein jämmerlicher Narr und all die Fragen über seinen Vater und seine Vergangenheit fielen ihm nicht mehr ein.
    Hawksworth schien seine Gedanken lesen zu können. »Was glaubtest du, würde passieren, wenn du hierher kommst?«, fragte er mit schneidender Verachtung. »Sollte ich dir um den Hals fallen und den verloren geglaubten Bruder willkommen heißen? Du bist weder erwünscht, noch brauchen wir dich. Du hast keinen Platz in der Familie. Ich meine, so wie meine Eltern dich aus England weggeschickt haben, ist keine weitere Erklärimg vonnöten. Du warst ein Fehltritt, den sie loswerden wollten.«
    Während er den scharfen Worten lauschte, beklagte er insgeheim die Ungerechtigkeit seines Schicksals.
    Warum war dieser aufgeblasene Wichtigtuer als Schlossherr auf die Welt gekommen? Hawksworth hatte eine Familie, Land, einen Titel, Vermögen, eine reizende junge Frau – und all das bedeutete ihm so wenig, dass er England aus reiner Vergnügungssucht verlassen hatte. Wohingegen er, als Bastard geboren, rein gar nichts hatte.
    Er verstand Hawksworths Feindseligkeit nur zu gut. Hawksworth war als einziger Sohn der Crosslands aufgewachsen. Die Familie hatte keine Verwendung für einen Bastard, der sie nur in Verlegenheit bringen würde.
    »Ich bin nicht gekommen, um einen Anspruch zu erheben«, murmelte er und unterbrach Hawksworths Tirade. »Ich wollte dich nur kennen lernen.«
    Die Worte besänftigten den aufgebrachten Mann keineswegs. »Jetzt, wo du dein Ziel erreicht hast, rate ich dir, aus meinem Haus zu verschwinden, sonst wird es dir übel ergehen!«
    Er war weggegangen, ohne auch nur eine einzige Münze auf dem Fußboden zu berühren. Es war eine heimliche Genugtuung für ihn, dass er immer noch die Miniatur von Lady Hawksworth besaß. Er würde dieses kleine Stück aus dem Leben seines Bruders

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