Geliebter Fremder
Zug oder eine Gewohnheit, die man tolerieren muss, haben sie alle. Ich liebte Harry trotz seiner Seitensprünge und sie haben nie ein wirkliches Problem für mich dargestellt… bis eine seiner Beziehungen in einer ungewollten Schwangerschaft seiner Geliebten endete.«
»Wer war sie?«, fragte Lara. Sie trank einen Schluck Wein und der herbe Geschmack füllte ihren Mund aus.
»Die Frau eines Botschafters. Fast jeder Mann in London war hinter ihr her. Harry hat sie bestimmt für äußerst begehrenswert gehalten. Ihre Affäre dauerte beinahe ein ganzes Jahr. Als sie schwanger wurde, teilte sie Harry mit, dass sie das Kind nicht behalten wolle. Er könne damit tun, was er wolle.«
»Aber er wollte nicht.«
»Oh, Harry wollte das Kind sehr. Er hatte vor, es in unserer Familie aufwachsen zu lassen oder es zumindest an einem Ort unterzubringen, wo er es von Zeit zu Zeit besuchen konnte. Ich jedoch wollte davon nichts hören. Wie du weißt, hatten wir nicht viel Glück mit unseren Kindern. Unsere ersten drei überlebten das Säuglingsalter nicht.
Und dann waren wir endlich mit Hunter gesegnet. Wahrscheinlich fürchtete ich, dass das Interesse meines Mannes an einem unehelichen Sohn seine Liebe zu seinem ehelichen Kind schmälern könnte. Ich habe Hunters Interessen immer geschützt. Deshalb habe ich darauf bestanden, dass der Bastard zu einem Missionarsehepaar kam, das so weit weg lebte, dass wir ihn nie wieder sehen würden.«
»Indien«, sagte Lara. Auf einmal verbanden sich die einzelnen Teile des Puzzles zu einem Ganzen.
»Ja. Ich wusste, dass das Kind kein einfaches Leben haben würde, ohne Geld, gehobene Stellung oder Nähe zu seinem Vater. Mein Mann zögerte, das Kind wegzuschicken, aber ich habe darauf bestanden.« Sophie ordnete umständlich ihre Röcke. »Ich habe dreißig Jahre lang versucht zu vergessen, was ich getan habe, aber ich habe doch jeden Tag daran denken müssen … es hat mich verfolgt, könnte man sagen.«
Lara stellte ihr Weinglas ab und blickte ihre Schwiegermutter an. »Wie war sein Name?«
Sophie zuckte mit den Schultern. »Ich habe seinem Vater nicht erlaubt, ihm einen Namen zu geben. Und wie seine Ersatzeltern ihn genannt haben, weiß ich nicht.«
»Und wusste dein Sohn, dass er einen Halbbruder hatte?«
»Nein. Ich sah keinen Grund, es ihm zu erzählen. Ich wollte nicht, dass Harrys Bastard etwas mit unserem Leben zu tun hatte.« Die Fältchen an Sophies Mundwinkeln verzogen sich zu einem trockenen Lächeln. »Das ist wirklich Ironie des Schicksals, was?«
Lara war nicht in der Stimmung für Ironie und sie erwiderte das Lächeln nicht. Sie fühlte sich als Opfer einer Verkettung von Ereignissen, die lange vor ihrer eigenen Geburt ihren Anfang genommen hatten. Harrys Seitensprünge, die Frau des Botschafters, die kaltherzig ihr eigenes Kind ablehnte, Sophies Einspruch gegen das illegitime Kind, Hunters egoistisches, unverantwortliches Verhalten … und schließlich der Fremde, der in Laras Leben eingedrungen war und sie mit seinen Lügen verführt hatte.
Lara hatte auf all das keinen Einfluss gehabt und doch war sie diejenige, die letztendlich für diese Handlungen bestraft wurde. Sie würde ihr Leben lang mit den Konsequenzen zu kämpfen haben … sie bekam selbst ein illegitimes Kind. Wenn sie es behielt, Würde sie für den Rest ihres Lebens außerhalb der Gesellschaft stehen.
Obwohl Lara versucht war, Sophie von ihrer Schwangerschaft zu erzählen, hielt sie ein mütterlicher Instinkt davon ab. Sie konnte ihr ungeborenes Kind nur schützen, indem sie das Geheimnis bewahrte.
»Was sollen wir jetzt tun?«, fragte sie leise.
Sophie sah sie prüfend an. »Das liegt an dir, Larissa.«
Lara schüttelte abwehrend den Kopf. »Ich bin nicht in der Lage, einen vernünftigen Gedanken zu fassen.«
»Ich schlage vor, du gehst nach unten, wo dein Geliebter festgehalten wird, und redest mit ihm. Danach wirst du vermutlich wissen, wie du vorgehen willst.«
Dein Geliebter … Es schien ihr unpassend, ihn so zu nennen. Selbst jetzt kam er ihr noch wie ihr Ehemann vor, obwohl sich ihre Beziehung als unrechtmäßig herausgestellt hatte. »Ich weiß nicht, ob ich ihm gegenübertreten kann«, murmelte Lara.
»Oh, komm schon«, schalt Sophie sie liebevoll. »Wenn ich ihm nach dreißig Jahren gegenübertreten kann, dann kannst du es bestimmt auch.«
Lara schlüpfte aus ihrem Reisekleid und zog sich ein einfaches Musselinkleid mit winzigen rosafarbenen Blümchen an. Sie bürstete ihre Haare
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