Geliebter Fremder
unternommen, dein Herz zu gewinnen?«
»Nein, aber …«
»Natürlich nicht. Hunter war viel zu sehr in diese Lady Carlysle verliebt, obwohl Gott allein weiß, was er an diesem Geschöpf fand. Er war verrückt nach ihr und er hätte sie heiraten sollen. Zu meinem Bedauern habe ich ihm stattdessen geraten, dich zu heiraten und sie nebenbei zu halten. Er könnte mit dem Hasen rennen und trotzdem mit der Meute jagen, habe ich ihm gesagt. Das war falsch von mir. Ich hoffte so, dein Charm würde auf Hunter wirken und du hättest einen guten Einfluss auf ihn.«
»Nun, das war nicht der Fall«, sagte Lara. Die Witwe lachte trocken auf.
»Offensichtlich nicht«, erwiderte sie. Sie seufzte und ihr Gesicht wurde wieder ernst, als sie den Familiensalon betraten. »Mein armer Sohn«, sagte sie. »Ich weiß sehr wohl, dass er dir kein guter Ehemann war. Er besaß kein Verantwortungsgefühl. Vielleicht haben wir ihn zu sehr verwöhnt und ihm alles zu leicht gemacht. Ein paar der Erfahrungen, die den Charakter eines Mannes bilden, hätten ihm durchaus gut getan. Aber ich konnte nicht anders.
Er war doch alles, was ich hatte. Und ich ermutigte ihn leider auch noch in seinem Egoismus.«
Obwohl Lara Sophie am liebsten zugestimmt hätte, schwieg sie. Sie saßen nahe beieinander und sie rieb sich die müden Augen.
»Hast du schon entschieden, was du morgen tun willst?«, fragte ihre Schwiegermutter.
»Was habe ich schon für eine Wahl? Ich habe die Pflicht, die Wahrheit zu sagen.«
»Unsinn.«
»Was?«, fragte Lara schwach.
»Ich habe nie verstanden, warum Aufrichtigkeit immer als die höchste Tugend angesehen wird. Es gibt wichtigere Dinge als Wahrheit.«
Entsetzt starrte Lara sie mit weit aufgerissenen Augen an. »Pardon, aber das hört sich aus deinem Mund äußerst seltsam an.«
»Ach ja? Du bist immer viel zu konventionell gewesen, Lara. Machst du dir keine Gedanken über diejenigen, deren Schicksal von dem Ergebnis morgen abhängt? Und spielt dein eigenes Wohlbefinden überhaupt keine Rolle?«
»Du klingst so, als wolltest du, dass dieser Fremde den Platz deines Sohnes einnimmt«, sagte Lara ungläubig.
»Mein Sohn ist tot«, sagte die Witwe. »Und jetzt kann ich nur das Beste aus der Situation machen, so wie sie eben ist. Arthur und seine Frau haben bereits bewiesen, dass sie das Erbe der Hawksworths nicht ehren. Sie werden alles tun, was in ihrer Macht steht, um den Titel zu entehren. Andererseits, illegitim oder nicht, dieser junge Mann ist der Sohn meines Mannes und er scheint sich in Hawksworths Rolle angemessen verhalten zu haben. Wie ich die Sache sehe, hat er genau dasselbe Recht auf den Titel wie Arthur.
Hinzu kommt, dass er anscheinend deine Zuneigung gewonnen hat. Ich habe vor langer Zeit falsch an ihm gehandelt. Wegen mir hat er einen denkbar schlechten Start im Leben gehabt und doch scheint er sich zu einem beachtlichen Mann entwickelt zu haben. Natürlich billige ich nicht, was er getan hat. Man kann ihm jedoch zugestehen, dass er nicht aus Schlechtigkeit so gehandelt hat, sondern aus reiner Verzweiflung.«
»Willst du damit sagen, dass du ihn unterstützt?«, rief Lara verblüfft aus.
»Nur, wenn du es willst. Du wirst den Rest deines Lebens mit einer Lüge leben müssen, meine Liebe … du wirst seine Kinder bekommen und in jeder Hinsicht seine Frau sein müssen. Wenn du ihn als Ehemann haben willst, dann bin ich bereit, ihn als Sohn anzunehmen. Aber du musst bedenken, dass es kein Zurück gibt, wenn wir ihn jetzt als Hawksworth anerkennen.«
»Könntest du Hunter wirklich so betrügen?«, flüsterte Lara. »Wärest du in der Lage, einen anderen an seiner Stelle zu akzeptieren?«
»Meine Gefühle für Hunter sind meine Sache und gehen niemanden etwas an«, erwiderte die Witwe voller Würde.
»Die Frage ist, was du willst, Larissa. Willst du diesen Mann retten oder ihn zum Teufel schicken? Soll er weiter als Lord Hawksworth leben oder willst du den Titel an Arthur zurückgeben? Du musst dich heute Abend entscheiden.«
Lara war verwirrt über die Argumentation ihrer Schwiegermutter. Niemals im Leben hätte sie erwartet, dass Sophie etwas Derartiges vorschlagen würde. Es schien gar nicht zu ihr zu passen. Sie hatte erwartet, dass Sophie angemessen zornig darauf reagiert hätte, weil ein anderer Mann einfach die Stelle ihres Sohnes eingenommen hatte, und nicht, dass sie ihr vorschlug, das Spiel zu unterstützen und fortzuführen.
Tausend Gedanken wirbelten durch Laras Kopf und ihr fiel ein,
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