Geliebter Fremder
3
Lara hätte sich gern ein frisches Kleid angezogen, aber sie hatte nicht die Absicht, sich vor ihrem Mann auszukleiden. Sie steckte ihre Haare so ordentlich wie möglich fest, wobei sie sich die ganze Zeit über bewusst war, wie aufmerksam er sie betrachtete. Als sie fertig war, trat er auf sie zu und bot ihr den Arm. »Sollen wir?«, fragte er augenzwinkernd. »Alle warten mit angehaltenem Atem darauf, ob du wohl mit mir kommst.«
»Habe ich denn eine andere Wahl?«, fragte sie.
Er blickte sie spöttisch an. »Ich werde dich nicht an den Haaren dorthin schleifen.«
Lara zögerte, weil sie das Gefühl hatte, wenn sie jetzt seinen Arm ergreifen und mit ihm gehen würde, so würde sie den Dingen ihren Lauf lassen und es gäbe kein Zurück mehr.
Hunter nahm ihr die Entscheidung ab, indem er einfach ihre Hand ergriff. »Komm«, sagte er und gemeinsam gingen sie zum Herrenhaus.
»Es wird eine Weile dauern, bis der Earl und die Countess ihre Habseligkeiten ausgeräumt haben«, sagte Lara.
»Sie sind nicht der Earl und die Countess«, erwiderte Hunter knapp. »Wir sind es. Und heute Abend werden sie aus Hawksworth Hall verschwunden sein.«
»Heute Abend?«, fragte Lara erstaunt. »Du kannst sie doch nicht so schnell wegschicken!«
»Ach, kann ich das nicht?« Sein Gesicht wurde hart und plötzlich sah er viel mehr wie der Mann aus, den sie vor fünf Jahren geheiratet hatte. »Ich werde Arthur und Janet nicht erlauben, mein Heim noch eine weitere Nacht durch ihre Anwesenheit zu entehren. Wir beide werden uns ungestört in den privaten Räumen aufhalten.«
»Und Arthur und Janet gehen in die Gästezimmer?«
»Nein«, erwiderte er unversöhnlich. »Sie können ins Cottage gehen oder sich irgendwo anders eine Unterkunft suchen.«
Bei dem Gedanken lachte Lara erschrocken auf. »Das geht zu weit. Wir müssen ihnen zumindest die Gästezimmer im Schloss anbieten.«
»Wenn diese alte Hütte gut genug für dich war, dann ist sie noch immer zu gut für die beiden.«
»Du wirst sie auf keinen Fall hinausbekommen«, sagte Lara. »Sie werden alles tun, was in ihrer Macht steht, um dich als Betrüger zu entlarven.«
»Ich bekomme sie hinaus«, erwiderte er grimmig und blickte sie an. »Sag mir noch eins, bevor wir im Schloss ankommen«, fügte er hinzu. »Hast du immer noch Zweifel?«
»Ein paar«, gab Lara zu.
»Hast du vor, sie den anderen gegenüber auszusprechen?« Sein Gesicht war ausdruckslos.
Lara zögerte. »Nein«, flüsterte sie dann.
»Warum nicht?«
»Weil ich …« Sie biss sich auf die Lippe und suchte nach Worten, um ihm zu erklären, dass es ihrem Gefühl nach falsch war, ihn zu verleugnen. Am klügsten war es sicher abzuwarten. Wenn er nicht der Mann war, der er behauptete zu sein, dann würde er früher oder später einen Fehler machen. »Wenn du nicht mein Mann bist«, sagte sie schließlich, »werde ich es noch früh genug herausfinden.«
Er lächelte, allerdings ohne Wärme. »In der Tat«, erwiderte er angespannt. Den Rest des Weges legten sie schweigend zurück.
»Es beeindruckt mich zutiefst, was sie aus diesem Haus gemacht haben«, sagte Hunter unvermittelt, als sie Hawksworth Hall betraten. Die alten flämischen Wandbehänge und die Beistelltische mit den französischen Porzellanvasen waren durch nackte Marmorstatuen und Seidenteppiche in Rot und Pfirsich ersetzt worden. Der Kamin aus dem Mittelalter, der so groß war, dass ein Dutzend Männer hineingepasst hätten, war seiner geschnitzten flämischen Umrandung beraubt worden und jetzt hing ein schwerer Spiegel mit goldenen Trompetenengeln über der Feuerstelle.
Hunter blieb stehen, um die Umgebung auf sich wirken zu lassen. »Das gelingt nur wenigen, ein so elegantes Haus in so kurzer Zeit in ein Bordell zu verwandeln.«
»Daran habe ich nicht gedacht«, erwiderte Lara. »Ich kenne nicht so viele Bordelle wie manch anderer.«
Er grinste über ihre Schlagfertigkeit. »Wenn ich mich recht erinnere, warst du mehr als glücklich darüber, dass ich meine Nächte lieber in Bordellen verbracht habe als in deinem Bett.«
Verlegen richtete Lara ihre Aufmerksamkeit wieder auf das vulgäre Dekor. »Leider kann das hier jetzt nicht mehr geändert werden.«
»Warum nicht?«
»Das wäre Verschwendung.«
»Wir können uns die Ausgaben leisten.«
»Du solltest dir besser erst einmal die Bücher ansehen, bevor du solche Vermutungen äußerst«, sagte Lara leise.
»Ich nehme an, dass während deiner Abwesenheit unsere Konten ziemlich geplündert
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