Geliebter Fremder
Johnny es getan hat…«
»Zwölf«, unterbrach er sie. »Es sind insgesamt zwölf Gefängnisgören.« Er zog spöttisch eine Augenbraue hoch.
»Vermutlich willst du irgendetwas für sie tun?«
»Darüber können wir morgen sprechen, wenn deine Laune wieder besser ist.«
»Ein paar Stunden Schlaf werden meine Laune nicht unbedingt verbessern.« Hunter setzte sich an das andere Ende des Sofas. Mit einer Geste forderte er sie auf weiterzusprechen.
Lara zögerte und versuchte, seine Stimmung einzuschätzen. Etwas an seinem Gesichtsausdruck war verwirrend – geduldig, aufmerksam, wie ein wildes Tier auf der Jagd. Er wartete auf eine Gelegenheit, und wenn sie kam, würde er sie ergreifen. Sie konnte nicht erraten, was er vorhatte, aber sie hatte den Verdacht, dass es ihr nicht gefallen würde.
»Ich bin sicher, dass die Gefängnisse die Kinder gern aus dieser schrecklichen Umgebung entfernen würden, wenn ihnen jemand eine annehmbare Alternative anbieten würde«, begann Lara vorsichtig. Hunter nickte zustimmend.
»Sie müssten eigentlich in das Waisenhaus in Market Hill gebracht werden«, fuhr sie fort, »aber es ist zu klein. Ein Dutzend Kinder … nun, wir müssten das Haus vergrößern, weiteres Personal einstellen und für mehr Essen, Kleidung und Lernmittel sorgen… und das wäre ein schwieriges Unterfangen. Ich wünschte, wir hätten die Mittel, um all das zu bewerkstelligen …«
»Haben wir aber nicht«, unterbrach er sie. »Jedenfalls zur Zeit nicht.«
»Ja, das ist mir klar.« Lara räusperte sich und ordnete umständlich ihre Röcke. »Deshalb müssen wir Geld aus anderen Quellen beschaffen. Bei so vielen Freunden und Bekannten, wie wir sie haben, dürfte das nicht schwierig sein. Wenn ich – das heißt, wenn wir – eine Art Wohltätigkeitsveranstaltung für das Waisenhaus organisieren würden …«
»Was für eine Wohltätigkeitsveranstaltung?« »Einen Ball vielleicht. Einen richtig großen. Wir könnten ihn als Mittel benutzen, um Spenden für das Waisenhaus zu bekommen. Und um sicher zu stellen, dass alle kommen, könnten wir ihn auch als Gelegenheit dazu benutzen, um … dich zu Hause willkommen zu heißen.« Sie wappnete sich gegen seinen finsteren Blick. Eigentlich war es eine gute Idee. Der Adel würde darauf brennen, den unter so geheimnisvollen Umständen heimgekehrten Lord Hawksworth zu sehen und seine Geschichte zu hören, und die Leute würden in Scharen zu ihnen strömen. Hunter war schon jetzt das Stadtgespräch in London und ein solcher Ball würde bestimmt das Ereignis der Saison sein.
»Du willst mich also wie ein zweiköpfiges Ungeheuer auf dem Jahrmarkt ausstellen und damit Geld für dein Waisenhaus eintreiben?«
»Ganz so wäre es nicht…«, wandte Lara ein.
»Es wäre ganz genau so.« Langsam setzte er sich auf und beugte sich vor, wobei er sie unablässig aus seinen dunklen Augen anstarrte. »Nach allem, was ich durchgemacht habe, soll ich jetzt auch noch einen ganzen Abend lang bohrende, misstrauische Fragen von einer Herde von Nichtsnutzen über mich ergehen lassen? Und wozu?«
»Für die Kinder«, erwiderte Lara ernsthaft. »Der Gesellschaft musst du dich sowieso früher oder später stellen.
Warum also nicht jetzt, wo du dir Zeit und Ort selbst aussuchen kannst? Und warum willst du dir die Befriedigung versagen, zwölf Kinder zu retten, die es verdienen, ein anständiges Leben zu führen?«
»Du überschätzt mich, meine Süße. Ich habe keine wohltätige Ader. Ich liege nicht nachts wach und denke über Waisen und Bettler nach. Dazu habe ich viel zu viele davon gesehen. Sie gehören zum Leben – es wird sie immer geben. Rette tausend von ihnen, zehntausend, und es wird immer noch mehr geben.«
»Ich verstehe dich nicht«, erwiderte Lara kopfschüttelnd. »Wie kannst du so nett zu deinen Dienstboten sein und so herzlos Außenseitern gegenüber?«
»Ich kann es mir nur leisten, für die zu sorgen, die unter meinem Dach leben. Der Rest der Welt kann zur Hölle gehen.«
»Anscheinend hast du dich überhaupt nicht geändert.« Vor Enttäuschung wurde ihr übel. »Du bist noch genauso herzlos wie früher. Ich hatte eigentlich gedacht, dass du mir erlauben würdest, diesen Kindern zu helfen.«
»Ich habe dir nicht verboten, den Ball zu organisieren. Aber ich stelle Bedingungen.«
»Welche?«, fragte sie misstrauisch.
»Frag mich doch, warum ich den Huren, die heute Abend bei uns waren, nicht erlegen bin«, sagte Hunter. »Ich hätte es leicht gehabt.
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