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Geliebter Fremder

Geliebter Fremder

Titel: Geliebter Fremder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Kleypas
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akzeptieren und das würde bedeuten, dass sie mit ihm ins Bett gehen müsste.
    Seufzend trat Lara zu dem Stuhl an seinem Schreibtisch und setzte sich. Sie berührte das Lederpolster, das noch seine Wärme ausstrahlte. Wenn sie die Augen schloss, konnte sie fast seinen Duft wahrnehmen, die Spur von Sandelholz, die sauber, frisch und exotisch zugleich roch. Es tut mir Leid, hätte sie fast laut gesagt, obwohl niemand sie hören konnte. Es tat ihr Leid, nicht wie andere Frauen zu sein, denen Intimität mit Männern anscheinend nichts ausmachte, und es tat ihr Leid um Hunter, der mehr wollte, als sie ihm geben konnte.
    Schuldgefühl und Einsamkeit machten ihr einen Kloß im Hals.
    Sie beugte sich über den Brief und begann zu lesen.
    Hunter ritt weg, ohne jemandem zu sagen, wohin, und er blieb den ganzen Nachmittag und Abend weg. Lara wartete auf ihn im Familiensalon, zusammengekauert auf dem mit Samt gepolsterten Sofa. Sie hatte sich die rotblaue Decke über die Knie gezogen, welche die Mädchen aus dem Waisenhaus für sie gestrickt hatten. Die Hausmädchen hatten sie mindestens schon dreimal gegen elegantere, bestickte Decken aus dem Wäscheschrank ausgetauscht, aber Lara hatte sie sich jedes Mal wieder geholt.
    »Diese rotblaue hier gefällt mir«, hatte sie lächelnd zu Naomi gesagt. »Sie mag zwar alles andere als vollkommen sein, aber jede fallen gelassene oder verknotete Masche erinnert mich an die Kinder, die sie für mich gemacht haben. Und außerdem ist es die wärmste Decke im Haus.«
    »Wenn ich Sie wäre, Mylady, würde ich mich lieber nicht an die Zeit erinnern, als die Crosslands Sie aus dem Haus geworfen haben«, hatte Naomi gewagt zu erwidern und die Decke verächtlich gemustert. »Das war eine düstere Zeit für uns alle.«
    »Ich will sie nicht vergessen.« Lara hatte glättend über die Decke gestrichen und sie sorgfältig zusammengelegt.
    »Ich habe in dieser Zeit einige wichtige Dinge gelernt und ich bin hoffentlich seitdem ein besserer Mensch.«
    »Ach, Mylady.« Naomi hatte ihr ein warmes Lächeln geschenkt. »Sie waren immer schon ein Juwel. Das finden wir alle.«
    »Und wie denkt ihr über Lord Hawksworth?«, hatte Lara gefragt. »Mögen die Dienstboten ihn mehr oder weniger seit seiner Rückkehr?«
    Naomi hatte nachdenklich die Stirn gerunzelt und geantwortet: »Er ist immer schon ein guter Herr gewesen – wir haben ihn alle gern gemocht. Aber jetzt nimmt er die Dienstboten mehr zur Kenntnis. Er hat zum Beispiel nach dem Arzt geschickt, als er gesehen hat, dass eins der Hausmädchen einen Abszess am Arm hatte, oder er hat dem Lakaien George erlaubt, an seinen freien Tagen seine Verlobte zum Tee in der Küche einzuladen. So etwas hat er früher nie getan …«
    Laras Gedanken wurden von dem leisen Glockenschlag der Standuhr in der Halle unterbrochen. Sie beschloss, ins Bett zu gehen, räkelte sich schläfrig auf dem Sofa und schob die Decke weg. In diesem Augenblick trat eine dunkle Gestalt durch die Tür und blieb stehen, um zu erkunden, woher das Licht kam.
    Es war natürlich Hunter, die Kleidung unordentlich und mit schwankendem Gang. Er hatte offenbar getrunken. Mit einem trotzigen Lächeln trat er ins Zimmer – dem Lächeln eines Halbwüchsigen, der sich schlecht benommen hat und stolz darauf ist.
    Lara zog die Knie an und umschlang sie mit den Armen. »Ich hoffe, es geht dir besser«, sagte sie kühl. »Deinem Geruch nach zu urteilen – Rauch, Alkohol und ein schweres Parfüm – nehme ich an, dass du eine Dirne gefunden hast, die deine Bedürfnisse befriedigt hat.«
    Hunter blieb vor ihr stehen und sah sie lächelnd an.
    »Für jemanden, der mit meinen Geschlechtsteilen nichts zu tun haben will, zeigst du ein großes Interesse daran, wo sie gesteckt haben.«
    »Ich bin nur froh, dass du meinen Rat befolgt und dir eine Frau gesucht hast«, erwiderte sie.
    »Ich habe mit Lonsdale und ein paar Freunden etwas getrunken. Frauen waren auch dabei. Aber ich habe keine von ihnen angerührt.«
    »Das ist schade«, sagte Lara, obwohl sie insgeheim erleichtert über diese Mitteilung war. »Wie gesagt, ich wäre froh, wenn du dir eine Geliebte nähmst und mir deine Aufmerksamkeit erspartest.«
    »Ach ja?«, fragte er sanft. »Warum hast du dann auf meine Rückkehr gewartet?«
    »Ich habe nicht auf dich gewartet … ich konnte nur nicht schlafen. Ich denke die ganze Zeit über den Brief von Lord Newmarsh nach und über die Kinder, die unter den gleichen schrecklichen Umständen leben, wie

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