Geliebter Fremder
ihrer Schwester gewartet, bis das Wetter wieder besser war. Es war dumm von ihr gewesen, ausgerechnet in diesem Frühlingsregen auszufahren – aber wer hätte eine solche Sintflut schon erwartet?
Sie beugte sich auf ihrem Sitz vor, als könne sie durch ihre Willenskraft allein erreichen, dass die Kutsche ihr Ziel glücklich erreichte. Die Räder sanken tief in den verschlammten Fahrrillen ein und die Pferde mühten sich ab, das Gefährt vorwärts zu ziehen. Plötzlich ruckte die Kutsche und stand auf einmal schräg, wodurch Lara vom Sitz geschleudert wurde. Rasch setzte sie sich wieder auf und langte nach dem Türgriff, um nachzusehen, was los war.
Die Tür wurde jedoch von außen geöffnet und Wind und Regen peitschten ihr entgegen, als das besorgte Gesicht des Lakaien auftauchte. »Sind Sie verletzt, Mylady?«
»Nein, nein, mir geht es gut«, versicherte sie ihm hastig. »Was ist mit dir, George? Und mit Mr. Colby?«
»Uns ist nichts geschehen, Mylady. Da war ein Loch auf der Straße. Die Kutsche steckt fest. Mr. Colby sagt jedoch, wir seien nicht mehr weit von Market Hill entfernt. Wenn Sie nichts dagegen haben, spanne ich die Pferde aus und eile nach Hawksworth Hall, um eine leichtere Kutsche zu holen. Mr. Colby bleibt bis zu meiner Rückkehr hier.«
»Das scheint mir ein gutes Vorhaben zu sein. Danke, George. Sag Mr. Colby bitte, er soll mit mir hier drinnen in der Kutsche warten. Das wird für ihn viel angenehmer sein.«
»Ja, Mylady.« Der Lakai schloss die Tür wieder, redete mit dem Kutscher und kam kurz darauf zurück. »Lady Hawksworth, Mr. Colby sagt, er möchte lieber draußen bleiben und aufpassen. Er hat einen Schirm und einen Regenmantel, sagt er, und heutzutage weiß man nie, was für ein Gesindel sich auf den Straßen herumtreibt.«
»Nun gut«, erwiderte Lara nachsichtig und lehnte sich in ihrem Sitz zurück. Wahrscheinlich war der Kutscher eher um ihren Ruf als um ihre Sicherheit besorgt. »Sag Mr. Colby, dass ich ihn für einen Gentleman halte.«
»Ja, Mylady.«
Dicke, schwere Regentropfen prasselten von allen Seiten auf die stecken gebliebene Kutsche. Am Himmel zuckten Blitze und das dumpfe Donnergrollen ließ Lara jedes Mal zusammenzucken. »Was für eine unglückselige Angelegenheit«, sagte sie laut und hoffte, dass George und Mr. Colby sich nicht den Tod holten, weil sie bis auf die Haut durchnässt waren. Sie allein trug die Schuld, wenn einer von ihnen krank wurde.
Das Warten schien endlos zu dauern, aber nach einer Weile merkte sie, dass draußen ein geschäftiges Treiben einsetzte. Lara starrte aus dem Fenster, konnte aber nur undeutliche Schatten erkennen. Entschlossen griff sie nach dem Türknopf, um einen Blick nach draußen zu werfen. Genau in diesem Augenblick flog die Tür auf und ein Windstoß und kalter Regen drangen in die Kutsche. Erschrocken zog sich Lara in die entfernteste Ecke zurück, als ein riesiger dunkler Schatten in der Öffnung auftauchte.
Der in einen schwarzen Regenmantel gekleidete Mann lüftete seinen Hut. Es war Hunter. Er lächelte sie an, während der Regen von seinen langen schwarzen Wimpern über sein Gesicht tropfte.
»Ich dachte, du wärst ein Räuber!«, rief Lara aus.
»Nein, so etwas Romantisches leider nicht«, entgegnete er. »Nur dein Mann.«
Ein Ehemann, der genauso unwiderstehlich und unberechenbar war wie ein Räuber, dachte sie. »Du hättest bei diesem Wetter nicht extra hierher kommen brauchen, Mylord. Die Diener sind schon in der Lage, mich nach Hause zu bringen.«
»Ich hatte gerade nichts Besseres vor.« Obwohl Hunters Tonfall leicht war, musterte er sie prüfend und Lara spürte, dass er sich Sorgen um ihre Sicherheit gemacht hatte. Bei dem Gedanken begann ihr Herz ein wenig schneller zu schlagen.
Sie griff in das Mahagonifach unter dem Sitz und zog ein paar Sporen heraus. Nur so konnte sie ihren Rocksaum davor bewahren, ruiniert zu werden.
Hunter blickte skeptisch auf die Metallringe mit den winzigen Stiften. »Die brauchst du nicht«, bemerkte er, als sie die Lederriemen um ihre Knöchel binden wollte.
»Doch. Meine Röcke werden sonst schmutzig.«
Er brach in herzhaftes Gelächter aus. »Ich stehe im Moment knöcheltief im Schlamm, Madam. Du würdest bis zu den Knien einsinken. Leg das beiseite und komm her.«
Zögernd gehorchte Lara, wobei sie ihre Haube fest zuband. »Hast du keine Kutsche mitgebracht?«, fragte sie.
»Damit noch eine stecken bleibt?« Er hob sie auf die Arme und trug sie in den Sturm
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