Geliebter Fremder
überzeugt, dass etwas Schlimmeres vorgefallen ist.«
»Das sind doch nur Gerüchte. Bevor nichts bewiesen ist …«
»Kannst du daran noch zweifeln?«, schrie Lara. »Lonsdale gebraucht jeden Vorwand, um seine Wut an Rachel auszulassen. Jeder weiß es, aber niemand wagt einzugreifen. Und Rachel würde lieber sterben, als es zuzugeben.
Sie würde ihn nie verlassen oder auch nur ein böses Wort über ihn sagen.«
»Sie ist eine erwachsene Frau, Lara. Misch dich nicht in ihre Angelegenheiten.«
Lara funkelte ihn wütend an. »Rachel ist nicht in der Lage, ihre Angelegenheiten selbst zu regeln. Wie alle anderen glaubt auch sie, die Frau sei das Eigentum ihres Mannes. Ein Mann kann seinen Hund treten, sein Pferd mit der Peitsche schlagen oder seine Frau verprügeln – er hat das Recht dazu.« Wieder traten Lara die Tränen in die Augen. »Ich weiß nicht, wie schlimm er Rachel dieses Mal verletzt hat, aber ich glaube, dass irgendetwas Schreckliches passiert ist. Ich bitte dich gar nicht, etwas zu unternehmen, mir ist klar, dass Lonsdale dein Freund ist. Ich bitte dich nur, dich herauszuhalten, wenn ich tue, was ich tun muss.«
»Nicht, wenn du vorher mein Pistolenkabinett durchwühlst.« Er ergriff sie am Handgelenk, als sie sich einem weiteren Mahagonikasten zuwenden wollte. »Lara, sieh mich an. Ich reite zu den Lonsdales und sehe nach, ob es einen Grund zur Sorge gibt. Bist du damit zufrieden?«
»Nein«, entgegnete sie eigensinnig. »Ich möchte auch dorthin. Und gleichgültig, wie es um Rachels Gesundheit bestellt ist, ich möchte, dass sie hierher gebracht wird.«
»Das ist Unsinn«, entgegnete er mit harter Stimme. »Du kannst dich nicht in die Ehe eines Marines einmischen und seine Frau aus seinem Haus holen.«
»Das Gesetz kümmert mich nicht. Mir geht es nur um die Sicherheit meiner Schwester.«
»Und was sollen wir machen, wenn sie hier ist und wieder nach Hause will?«, sagte er. »Sie einsperren? Sie an die Möbel anketten?«
»Ja!« brach es aus Lara hervor, obwohl sie wusste, dass es unlogisch war. »Ja! Alles, um sie vor diesem Ungeheuer zu schützen!«
»Du gehst nicht dorthin«, sagte Hunter grimmig. »Wenn Rachel wirklich krank ist, machst du alles nur noch schlimmer.«
Lara entwand sich ihm und trat zu einem Gewehrschrank. Sie presste ihre Hände und ihre Stirn auf die kühle Glasscheibe. »Du hast keine Geschwister«, sagte sie und kämpfte gegen die Tränen an, die ihr wieder in die Augen stiegen. »Wenn du welche hättest, wüsstest du, was ich für Rachel empfinde. Seit ihrer Geburt habe ich mich für sie verantwortlich gefühlt.« Sie rieb sich die brennenden Augen. »Einmal, als wir beide noch klein waren, wollte Rachel unbedingt auf einen Baum in unserem Garten klettern. Obwohl Papa es verboten hatte, half ich ihr, mit mir zusammen den Baum hochzuklettern. Wir saßen auf einem der Äste, als sie plötzlich das Gleichgewicht verlor und herunterfiel. Dabei hat sie sich den Arm und das Schlüsselbein gebrochen. Ich war zu langsam, um sie davor zu bewahren. Ich konnte nur zusehen, wie sie herunterfiel, und der Magen drehte sich mir um, als wäre ich diejenige, die herunterfiel. Ich hätte alles dafür gegeben, an ihrer Stelle zu sein. Und genau so fühle ich mich jetzt auch. Ich weiß, dass ihr etwas Schreckliches zugestoßen ist, und ich kann nichts anderes tun, als dabei zuzusehen.«
Laras Kinn zitterte und sie presste die Lippen zusammen, um nicht wieder in Tränen auszubrechen.
Beide schwiegen eine Weile. Im Zimmer war es so still, dass sie beinahe glaubte, Hunter sei gegangen, wenn sie nicht sein Spiegelbild in der Glasscheibe gesehen hätte. »Ich weiß, dass du nichts ausrichten kannst«, sagte Lara gepresst. »Du willst dir deinen besten Freund nicht zum Feind machen und eben das wird geschehen, wenn du es wagst, dich einzumischen.«
Hunter fluchte. »Bleib hier, verdammt noch mal«, sagte er dann rau. »Ich bringe Rachel zu dir.«
Sie wirbelte herum und starrte ihn erstaunt an. »Das willst du tun?«
»Ich schwöre es«, entgegnete er barsch.
Erleichterung überflutete sie. »Oh, Hunter …«
Grollend schüttelte er den Kopf. »Dank mir nicht für etwas, was ich lieber nicht tun möchte.«
»Aber warum …«
»Weil es verdammt offensichtlich ist, dass du sonst keine Ruhe geben wirst.« Er sah sie an, als würde er sie am liebsten durchschütteln. »Im Gegensatz zu dir habe ich nicht das überwältigende Bedürfnis, die Welt zu retten – ich hätte nur gern ein
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