Geliebter Fremder
verfluchte sich. Sein Plan, die Beziehung zu seiner Frau wieder aufzunehmen, war in dem Moment gescheitert, als er ihre Tür geöffnet hatte.
Dabei hätte er wissen müssen, wie sein Körper darauf reagieren würde, wenn Pel ihn auf der Chaiselongue, in schwarzem Satin, mit einer frei gelegten weißen Schulter empfangen würde. Andererseits hatte er ihr gegenüber noch nie so empfunden. Zumindest konnte er sich nicht daran erinnern. Aber früher war er auch in Em verliebt gewesen. Vielleicht war er deshalb gegen die üppigen Reize seiner Frau immun gewesen.
Gerard schlug leicht mit seinem Hinterkopf gegen die Wand und hoffte, dadurch wieder zur Vernunft zu kommen. Seine eigene Frau zu begehren! Er stöhnte auf. Für die meisten Männer war das kein Problem. Für ihn schon. Er hatte Isabel mit seinem Interesse verschreckt.
Obwohl auch sie interessiert wirkte, flüsterte eine Stimme in seinem Kopf.
Ja, seine Verführungskünste waren ein wenig eingerostet, doch er hatte noch nicht alles vergessen. Er erkannte die Signale einer Frau, wenn sein Interesse auf Resonanz stieß.
Isabel hatte vielleicht recht, wenn sie meinte, dass sie nicht zu den Menschen gehörten, die die große ewige Liebe fanden. Und Gott wusste, dass sie beide schon beim ersten Mal nicht viel Glück gehabt hatten. Doch vielleicht musste es auch keine große Liebesgeschichte werden. Vielleicht konnte es einfach eine zeitlich unbeschränkte Affäre werden. Eine Ehe, in der man befreundet war und das Bett teilte. Die Voraussetzungen stimmten, da er Pel gernhatte. Er liebte ihr Lachen – diesen satten, kehligen Laut, der einen Mann innerlich erwärmte. Und ihr leicht provokantes, aufreizendes Lächeln. Dahinter verbarg sich sexuelle Anziehungskraft. Außerdem waren sie miteinander verheiratet. Das musste doch auch etwas bedeuten.
Gerard stieß sich von der Wand ab und ging in sein Zimmer. Morgen würde er sich neu einkleiden, und danach würde er langsam wieder in die Gesellschaft finden – und seine Frau im Sturm erobern.
Allerdings musste er sich vorher um ihren Geliebten kümmern.
Er verzog das Gesicht. Das würde das Schwierigste werden. Isabel liebte ihre Liebhaber zwar nicht, aber sie hatte sie sehr gern und war äußerst loyal. Ihre Eroberung würde Raffinesse und Zeit erfordern, und Letzteres war er bei der Verführung von Frauen nicht gewohnt.
Doch hier ging es um Pel, und wie viele bestätigen würden, war sie das Warten wert.
Kapitel 2
»Du wirkst aber gar nicht glücklich«, flüsterte ihr John, der Earl of Hargreaves, ins Ohr. »Möchtest du vielleicht einen zweideutigen Witz hören? Oder auf ein anderes Fest? Hier ist es schrecklich langweilig.«
Isabel seufzte im Stillen und zwang sich zu einem strahlenden Lächeln. »Wenn du gehen willst, habe ich nichts dagegen.«
Hargreaves legte ihr seine behandschuhte Hand auf den Poansatz und strich sanft darüber. »Ich hab nicht gesagt, dass ich gehen will. Es war nur ein Vorschlag, um deine Langeweile zu vertreiben.«
Im Augenblick wäre es ihr fast lieber gewesen, wenn sie sich gelangweilt hätte. Es wäre entschieden angenehmer gewesen, als ständig an Gray denken zu müssen. Wer war der Mann, der heute zu ihr zurückgekommen war? Sie wusste es wirklich nicht. Sie ahnte nur, dass er sehr finster war, sein Gemüt verdüstert durch Qualen, von denen sie nichts wusste, weil er sie nicht mitteilen wollte. Außerdem war er äußerst gefährlich. Als ihr Ehemann konnte er von ihr verlangen, was er wollte, und sie konnte es ihm nicht verwehren.
Tief in ihrem Innersten sehnte sich Isabel nach dem einstigen Marquess of Grayson zurück. Dem jüngeren Gray voller Witz und gedankenloser Arroganz. Er war so einfach zu handhaben gewesen.
»Nun, Isabel?«, hakte Hargreaves nach.
Sie unterdrückte einen Anflug von Gereiztheit. John war ein netter Mann und seit über zwei Jahren ihr Liebhaber, aber er äußerte nie eine eigene Meinung, deutete seine Präferenzen nicht mal an. »Ich möchte, dass du entscheidest«, sagte sie und sah ihn direkt an.
»Ich?« Er runzelte die Stirn, was seiner Anziehungskraft keinen Abbruch tat.
Mit seiner Adlernase und den dunklen Augen sah Hargreaves ausgesprochen gut aus. Sein dunkles Haar wies an den Schläfen bereits graue Strähnen auf, doch das erhöhte nur seine Attraktivität. Als berühmter Schwertkämpfer war sein Körper von schlaksiger Eleganz. Der Earl war beliebt und weithin geachtet. Er kam gut bei den Frauen an, und Isabel bildete da keine
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