Geliebter Fremder
kennengelernt, und keiner hatte eine solche Wirkung auf mich wie Sie. Was ist, wenn es sonst nie jemand haben wird? Dann werde ich für immer bereuen, nicht das genossen zu haben, was Sie mir zu bieten hatten.«
Sein Herz zog sich schmerzhaft zusammen. »Aber wenn Sie Ihre Unschuld an einen Schuft wie mich verlieren, wird Ihre Hochzeitsnacht ziemlich unangenehm werden.«
»Nein«, versicherte sie ihm zuversichtlich. »Sollte ich tatsächlich heiraten, dann nur einen Mann, der so hingerissen von mir ist, dass er das Dinner auslässt – so wie Lord Grayson für Lady Grayson.«
»Ich würde nicht gerade sagen, dass Grayson hingerissen ist, meine Liebe«, erwiderte er trocken.
Abby wedelte abschätzig mit der Hand. »Wie auch immer Sie es nennen wollen, Tatsache ist, dass er sich nicht um ihre Vergangenheit schert. Und mein Zukünftiger wird mir gegenüber genauso empfinden.«
»Sie scheinen sich da sehr sicher zu sein.«
»Das bin ich. Wissen Sie, er müsste mich verzweifelt lieben, um meine Hand zu bekommen, da würde ihm ein kleines Stück zerrissener Haut nichts bedeuten. Im Gegenteil: Ich beabsichtige, jedem Anwärter auf meine Hand von Ihnen zu erzählen und –«
»Bloß nicht!«
»Natürlich würde ich Sie nicht namentlich erwähnen«, beeilte sie sich hinzuzufügen. »Ich würde ihm nur von dem Mann erzählen, dessen Lächeln mein Herz höher schlagen und Schmetterlinge in meinem Bauch flattern ließ. Wie wunderbar dieser Mann zu mir war, wie glücklich er mich machte, nachdem ich doch nach dem Tod meiner Eltern so lange ein elendes Leben geführt hatte. Und er wird es verstehen, Lord Trenton, denn so ist das, wenn man jemanden liebt. Man versteht ihn.«
»Sie sind eine Träumerin«, spottete er in dem Versuch, seine Betroffenheit zu verbergen.
»Bin ich das?« Stirnrunzelnd löste sie sich von ihm. »Da haben Sie wohl recht. Meine Mutter hat mich einst gewarnt, dass Affären etwas Pragmatisches und nichts Romantisches wären.«
Rhys zog die Augenbrauen hoch, verschränkte seine Finger mit ihren und zog sie zu einer nahe stehenden Bank. »Das hat Ihre Mutter gesagt?«
»Sie sagte, es sei dumm von Frauen, anzunehmen, dass es bei Affären um große Leidenschaften ginge und die Ehe nur eine Pflicht wäre. Sie sagte, das Gegenteil sollte der Fall sein. Affären sollten nur die Befriedigung von Bedürfnissen zum Ziel haben, während Ehen im Idealfall eine lebenslange Verpflichtung gegenüber tief sitzenden Wünschen wären. Meine Mutter war eine fortschrittlich denkende Frau. Schließlich hat sie auch einen Amerikaner geheiratet.«
»Ah ja, das stimmt.« Er setzte sich und zog Abby auf seinen Schoß. Sie war leicht wie eine Feder, und er barg sie in seinen Armen und stützte sein Kinn auf ihren brünetten Schopf. »Also ist sie dafür verantwortlich, dass Ihr Kopf voll mit diesem Unsinn über Liebe ist.«
»Das ist kein Unsinn«, rügte sie ihn. »Meine Eltern waren verrückt nacheinander und sehr, sehr glücklich. Wie sie lächelten, wenn sie sich nach einer Trennung wiedersahen … wie sie strahlten, wenn sie sich über den Esstisch hinweg anblickten … wundervoll!«
Er fuhr ihr mit dem Mund über den nackten Hals, streichelte ihr Ohr und flüsterte: »Ich kann Ihnen zeigen, was wundervoll ist, Abby.«
»Oh.« Sie erschauerte. »Ich schwöre, mein Herzschlag hat soeben für einen Moment ausgesetzt.«
Er liebte es, dass er eine solche Wirkung auf sie hatte und sie so offen und unschuldig reagierte. Sie war ein so reines Wesen. Nicht nur, weil sie naiv war – und die Mechanismen der Welt klar sah –, sondern weil die weniger bewundernswerten Facetten der Menschen sie nicht desillusionierten. Zugegeben, sie war von Männern ohne Ehre verfolgt worden, doch sie sah dies als das, was es war: als Dummheit und Gier einiger weniger. Im Rest der Welt sah sie immer noch das Beste.
Das war es, was er so unwiderstehlich fand: Ihre Hoffnungen waren ihr nicht geraubt worden. Wahrscheinlich wäre er verdammt, wenn er sie nahm, aber er konnte nicht anders. Die Vorstellung, sie niemals zu besitzen, niemals zu erfahren, wie sie Leidenschaft genoss, war unerträglich.
»In welchem Flügel des Hauses wohnen Sie?«, murmelte er, weil er sich am liebsten jetzt sofort mit ihr zurückgezogen hätte.
»Ich will zu Ihnen kommen.«
»Warum?«
»Weil Sie erfahrener und abgeklärter sind als ich.«
»Wieso ist das von Bedeutung?« Würde diese Frau denn nie aufhören, ihn zu verblüffen?
»Sie haben diesen Geruch an
Weitere Kostenlose Bücher