Geliebter Lord
lächelte ihn an, aber es schien ihn nicht zu besänftigen. Stattdessen sah er aus, als wäre er drauf und dran, etwas wirklich Unhöfliches zu sagen.
Mary beschloss, ihn abzulenken, und deutete auf das Brett in seinen Händen. »Was ist das?«
Er schaute darauf hinunter, als hätte er es völlig vergessen gehabt. »Ein Spiel, das Brendan mir geschenkt hat. Mein Bruder scheint zu glauben, dass ich Ablenkung brauche.«
»Seid Ihr gut darin?«
»Ich habe es lange nicht mehr gespielt. Warum fragt Ihr?«
»Habt Ihr Lust auf eine Wette? Ich verstehe mich nicht besonders gut auf Spiele, aber ich bin bereit zu lernen. Wenn ich gegen Euch spiele und gewinne, erlaubt Ihr mir, Euch zu behandeln.«
»Und wenn Ihr verliert?«
»Gehe ich – ohne ein Wort und ohne mich umzusehen.«
»Das allein ist die Wette wert«, sagte er, aber sie fühlte sich nicht gekränkt, denn sein Mund verzog sich zu der Andeutung eines Lächelns. »Lasst es Euch von Brendan beibringen.« Er hielt ihr das Spiel hin.
»Und wann wollen wir spielen?«
»Heute Abend – falls Ihr glaubt, es bis dahin zu beherrschen.«
Natürlich glaubte sie das nicht, doch sie nickte trotzdem. »Vielleicht könntet Ihr Euch bis dahin durchringen, Eure Höhle zu verlassen«, schlug sie vor. »Sonnenschein und frische Luft würden Euch entschieden besser bekommen, als in Eurer Einsiedelei zu bleiben.«
»Ich war nicht ständig in diesem Zimmer, bevor Ihr kamt.«
»Und warum seid Ihr es jetzt?«
Seine Antwort erschöpfte sich in einem Stirnrunzeln. Darin war er ziemlich gut, dachte sie.
Mary atmete tief ein und legte die linke Hand an die Mauer. Das Hinuntergehen würde sicherlich weniger nervenaufreibend sein als das Hinaufgehen mit dem schweren Tablett.
Als sie sich einmal umschaute, sah sie, dass Hamish noch immer dastand und sie beobachtete. Sie wünschte, er täte das nicht, doch ihn zu bitten, damit aufzuhören, sie zu studieren, würde ihm verraten, dass es ihr Unbehagen bereitete. Nicht, weil sein Gesicht narbig war oder seine Wut sie einschüchterte. Nein. Im Gegenteil. Weil etwas an ihm sie anzog.
Sie empfand ihn weniger als Patient denn als Mann. Allein aus dem Grund sollte sie diesen Kampf der Willenskräfte aufgeben und Brendan bitten, sie nach Inverness zu begleiten. Oder allein zurückkehren, falls er sich weigerte.
Aber ihre Neugier war stärker als ihre Beunruhigung, und das Mitgefühl, das sie als Heilerin empfinden mochte, war nichts im Vergleich mit dem Interesse, das sie als Frau an Hamish MacRae empfand.
Matthew Marshall zog sich seinen Stuhl an den abgeschrägten Sekretär und klappte die Schreibfläche nach unten. Er ließ seine Finger spielen und seine Schultern kreisen und atmete ein paarmal tief ein, alles in Vorbereitung auf seinen Arbeitstag. Als Prediger begann er diesen stets mit einem Gebetsgottesdienst und begab sich erst dann in sein Arbeitszimmer.
Er wählte eine Feder aus, spitzte sie nach seinem Belieben an und lächelte, als er den tönernen Deckel des Tintenfasses abhob. Es war ein Geschenk einer Gemeinde in Amerika, in Gedenken an seinen zwanzigsten Besuch dort, und mit einem eingravierten Vers geschmückt, den er besonders mochte.
Er nahm sich sein Manuskript vor, das er bald bei seinem Verleger abliefern müsste. Es enthielt eine Zusammenfassung seiner neuesten Studien medizinischer Fortschritte. Erst dann machte er sich an die Beantwortung der eingegangenen Briefe.
Den Stapel durchblätternd, der gestern mit der Nachmittagspost gekommen war, versuchte er zu entscheiden, welchen Brief er als ersten beantworten würde. Da waren die üblichen Bitten um Spenden und die inständigen Ersuche um Fürsprache, als hätte er, ein Sterblicher, mehr Einfluss auf Gott als jedes andere seiner Geschöpfe. Zu guter Letzt fand er zwei Briefe der von ihm bevorzugten Art, die entweder mit neuen Fortschritten in der Medizin zu tun hatten oder in denen er dringend um einen Besuch gebeten wurde.
Er begann mit den Spendenbitten. Da er nur zu genau wusste, wie schwierig es sein konnte, Geld zu beschaffen, formulierte er seine Absage so sanft und freundlich wie möglich.
Ich bedaure, werter Herr, aber der größte Teil meiner Mittel geht an Hospitäler für Arme in ganz England. Ich werde Eure Situation jedoch in Betracht ziehen. Vielleicht gibt es ja eine Gemeinde, die Euch in irgendeiner Weise helfen könnte.
Er schrieb an jeden Bittsteller denselben Text.
Die Bitten um Fürsprache bei Gott beantwortete er mit einem Gebet und
Weitere Kostenlose Bücher