Geliebter Lord
einer kurzen Botschaft.
Bitte bedenkt, dass ich, was ein Hilfeersuchen beim Allmächtigen betrifft, nicht mehr Macht besitze als Ihr. Ich schließe Euch jedoch in meine Gebete ein und hoffe, dass Er Euch in Euren Sorgen Seiner Gnade und Güte teilhaftig werden lässt.
Schließlich beantwortete er die Anfragen bezüglich eines Besuchs. Seine Reisen wurden normalerweise ein Jahr im Voraus geplant. Als er seinen Terminkalender aus dem rechten Schubfach nehmen wollte, stellte er irritiert fest, dass er nicht lag, wo er ihn hingelegt hatte.
Ordnung war unabdingbar. Da sein Schreibtisch mit ihm reiste, kannte er dessen Inhalt genau, und so fragte er sich, stirnrunzelnd in das Schubfach blickend, warum die Information über die elektrische Maschine links von seinen Antworten an seine amerikanischen Gemeinden lag. Seine gesamte Korrespondenz war in Unordnung. Er fertigte oft Abschriften von seinen Briefen an, insbesondere wenn es um seine Reisearrangements ging.
Hatte Maddie etwas gesucht? Er seufzte bei dem Gedanken, seine Frau wieder einmal zu verlassen.
Seine Zeit war zu gleichen Teilen zwischen England, Schottland und Amerika aufgeteilt. Auf den Kontinent reiste er nur selten, es sei denn nach Amsterdam. Er schätzte die Ordungsliebe der Holländer, ärgerte sich über die Sturheit der Deutschen und beklagte die Politik der Franzosen. Die Exzesse des Königshauses hatten das Land zerstört, sein Volk zu einer Nation armer, unterernährter Geschöpfe gemacht. Außerdem waren die Franzosen taub gegenüber jedweder Kritik an ihren Methoden. Sie ließen ihre Leute lieber verhungern, als dass sie den Rat eines Ausländers annahmen.
Erneut seufzend wünschte er, dass seine liebe Frau ihn auf seiner nächsten Reise nach Schottland begleitete, doch ihr hartnäckiger Husten würde es nicht erlauben. Madeline war in den letzten Monaten zusehends schwächer geworden, und hätte es sich um einen anderen Besuch gehandelt, hätte er abgesagt und wäre ebenfalls zu Hause geblieben.
Auf seinem Plan stand neben dem Treffen mit einer Heilerin mit dem unglaublichen Beinamen
Engel von Inverness
das mit einem jungen schottischen Erfinder, von dem er einen vielversprechenden Brief erhalten hatte. Sie korrespondierten bereits seit über einem Jahr, und nun hatte der Mann ihm just im vergangenen Monat die Pläne für ein Gerät geschickt, das eine höchst interessante Weiterentwicklung seines bevorzugten Heilapparates zu sein schien.
Endlich hatte er seinen Terminkalender gefunden und schlug ihn auf. Er würde seine Reise morgen antreten, eine Reihe kleinerer schottischer Städte aufsuchen, die er seit mehr als zehn Jahren nicht besucht hatte, und zum Schluss in Inverness Station machen. Unterwegs würde er vielleicht ein paar Predigten aufpolieren, die er noch nicht vor großen Gemeinden gehalten hatte. Die Schotten waren ein schwieriges Publikum – das wusste er aus Erfahrung.
Trotz der Bedenken, seine Frau zurückzulassen, konnte er es kaum erwarten aufzubrechen.
Kapitel 6
M ary und Brendan waren nach dem Mittagessen am Tisch sitzen geblieben. Hester mischte am anderen Ende der Küche Brotteig zusammen, während Micah, der ihr gegenübersaß, ein Zaumzeug reparierte. Als hellster und wärmster Raum von Castle Gloom war die Küche zum allgemeinen Treffpunkt geworden.
»Das Spiel ähnelt sehr unserem Schach«, sagte Mary, als Brendan die Figuren auf dem Brett plazierte, das sie aus Hamishs Turmkammer heruntergebracht hatte.
»Es ist ein Vorläufer und wird im Orient gespielt. Schatrandsch, so heißt es, ist wiederum der Nachfolger eines indischen Schachspiels.«
»Hamish hat vieles um sich, was ihn an Indien erinnert, nicht wahr?«
Brendan war überrascht. »Hamish hat Euch Zutritt zu seinem Zimmer gewährt?«
»Nein, aber ich konnte einen Blick hineinwerfen.« Mary war geübt darin, sich schnell ein Bild zu machen.
Brendan sah sie scharf an, sagte jedoch nichts, sondern wandte sich wieder dem Spiel zu.
»Die Aufstellung der Figuren ist ähnlich wie bei unserem Schach – die Gangarten sind aber unterschiedlich, und es gibt keinen Läufer, dafür aber einen Elefanten und einen General statt einer Dame. Außerdem stehen der König und der General – im Vergleich zu unserem Schach auf vertauschten Plätzen – einander gegenüber.«
»Gestern Abend erzähltet Ihr, dass Indien Euren Bruder verändert habe. Was meintet Ihr damit?« Sie stützte die Ellbogen auf den Tisch. »Einen Mann macht mehr aus als seine Gesundheit,
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