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Geliebter Lord

Geliebter Lord

Titel: Geliebter Lord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Ranney
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Weg zum ersten Treppenabsatz schlug Mary das Herz bis zum Hals. Tief durchatmend zwang sie sich zur Ruhe. Sie musste sich lediglich dicht an der Mauer halten und geradeaus schauen. Das war doch nun wirklich nicht schwer.
    Im zweiten Stockwerk angelangt, kam sie an Brendans Zimmer vorbei. Hier oben war es dunkler, als hinge noch die Nacht über dem Turm. Mary machte den Fehler, sich umzudrehen und nach unten zu schauen. Nur für einen Moment, doch der genügte. Schwindel erfasste sie, Schweiß brach ihr aus allen Poren, und sie kam sich seltsam schwerelos vor.
    Sie hasste sich für diese Schwäche. Gordon hatte einmal gesagt, sie sei eben nicht für Brustwehren und Brücken geboren. Mary hatte mit ihm darüber gelacht, aber ihre Höhenangst war nicht zum Lachen. Jetzt gerade bereitete sie ihr Schwierigkeiten auf dem Weg zu einem Patienten, und das durfte nicht passieren.
    Nachdem sie die letzten Stufen mit zitternden Beinen gemeistert hatte, klopfte sie mit einer Hand an die eisenbeschlagene Eichentür, während sie auf der anderen das Tablett balancierte.
    Sie wartete.
    Keine Reaktion.
    »Ich brauche Eure Hilfe, Mr. MacRae«, sagte sie. »Das Tablett ist schwer, und ich kann es nirgendwo abstellen.«
    »Ihr müsst mich nicht bedienen, Mrs. Gilly. Stellt es einfach auf den Boden.«
    »Ich würde es lieber auf einen Tisch stellen«, gab sie schnippisch zurück. »Ihr habt doch bestimmt einen in Eurer Höhle, Sir.«
    »Es ist eine vorübergehende Zuflucht, Mrs. Gilly – keine Höhle.«
    Seine Korrektur machte sie lächeln. Er war ein starrsinniger Mann, aber sie stand ihm da nicht nach.
    »Mr. MacRae«, begann sie aufs Neue, »Ihr habt nichts an Euch, was ich nicht schon mindestens hundertmal gesehen habe. Es sei denn, Ihr seid in Wahrheit gar kein Mensch, sondern verbergt einen Schuppenpanzer und einen Drachenschwanz unter Eurer Kleidung.«
    Sie stützte das Tablett am Türrahmen ab.
    »Sollte das der Fall sein, gestehe ich, dass ich überrascht wäre, vielleicht sogar beunruhigt. Kratzt mit Eurer Tatze an der Tür oder schiebt die Spitze Eures Stachelschwanzes darunter hindurch. Oder grunzt oder brüllt, wie es Drachen tun, oder speit ein wenig Feuer. Wenn Ihr mich überzeugt, dass Ihr kein Mensch seid, stelle ich das Tablett auf der Stelle hier ab, verschwinde aus dem Castle und komme nie wieder hierher zurück.«
    Die Tür wurde so unvermittelt geöffnet, dass Mary erschrak. Hinter Hamish schien die Sonne in das Zimmer, und im ersten Moment war das alles, was sie sah, diese blendende Helligkeit, nicht seine Züge, geschweige denn seinen Ausdruck.
    »Ich brauche keine Heilerin. Ich will niemand in meinem Reich haben – insbesondere nicht Euch, Mrs. Gilly.«
    Es hätte nicht weh tun sollen. Er war einfach wütend auf sie. Sie hatte gehofft, ihm letzte Nacht ein wenig nähergekommen zu sein, aber offenbar war er noch immer unerbittlich. Trotz der Augenblicke seltsam vertrauter Konversation waren sie Fremde, und es wäre klug, wenn sie das nicht vergäße.
    Sie blieb stehen, wo sie war, und hielt ihm das Tablett hin. Anstatt es ihr abzunehmen, deutete er auf einen neben der Tür stehenden Tisch. Sie wartete, bis er das quadratische Spielbrett mit den kleinen, merkwürdig geformten Figürchen weggenommen hatte, stellte ihr Tablett ab und wandte sich wortlos zum Gehen.
    Auf dem Weg zur Treppe hoffte sie inständig, dass er die Tür hinter ihr schließen würde. Stattdessen spürte sie seinen Blick auf ihrem Rücken.
    »Verzeiht mir – ich war unhöflich«, sagte er langsam.
    Sie drehte sich ihm zu und ließ einen Moment verstreichen, bis sie erwiderte: »Ja, das wart Ihr. Aber Ihr habt damit nicht erreicht, was Ihr wolltet. Ich mag Euch noch nicht überzeugt haben, aber ich werde es weiter versuchen.«
    Er trat aus dem Sonnenlicht über die Schwelle seiner Kammer zu ihr, und jetzt sah sie seinen Gesichtsausdruck ganz deutlich. Hamish MacRae war irritiert.
    »Warum?«
    Sein Haar sah aus, als sei er mit den Fingern hindurchgefahren, doch seine Kleidung war untadelig. Die Halsbinde über dem locker sitzenden weißen Hemd war sorgfältig gebunden, die dunkle Hose steckte in sogar hier in diesem entlegenen Castle auf Hochglanz polierten Stiefeln. Er mochte der Zivilisation den Rücken gekehrt haben, aber unzivilisiert war er noch nicht.
    »Weil ich muss.« Sie erwartete nicht, dass er es verstand.
    »Ihr werdet keine Ruhe geben, bis ich Euer Patient bin, richtig?«, fragte er in gereiztem Ton.
    »Richtig.« Sie

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