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Geliebter Lord

Geliebter Lord

Titel: Geliebter Lord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Ranney
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ihn akzeptieren konnte, wie er
jetzt
war. Seine Familie und die Freunde begriffen nicht, dass seine Veränderung weit mehr betraf als seine äußere Erscheinung. Er war einfach nicht mehr derselbe Mann.
    Der Klang ihrer Schritte auf der Treppe setzte seiner Ungewissheit ein Ende. Nachdem er sich mit einem Blick vergewissert hatte, dass sein Zimmer präsentabel war, öffnete er die Tür.
    Sie hatte ein anderes Kleid angezogen. Dieses, im Schnitt ebenso züchtig wie das vorherige, war dunkelblau, doch anstatt eines Schultertuchs schmückte Marys Mieder eine Brosche aus Gold und Silber.
    Er streckte die Hand aus und berührte das komplizierte Muster der Silberdisteln. »Hat diesen Schmuck Euer Ehemann entworfen?«
    Mary nickte lächelnd.
    Trägst du ihn, um nicht zu vergessen, dass du eine wohlanständige Witwe bist?
Er beschloss, die Frage nicht auszusprechen, denn er war nicht sicher, ob er die Antwort hören wollte.
    Wie auf das Schultertuch hatte Mary auch auf die Haube verzichtet. Das machte die Witwe Gilly ungleich viel nahbarer. Was würde sie tun, wenn er die Nadeln aus ihrem Nackenknoten zöge, den Zopf aufmachte und ihr offenes Haar um ihre Schultern drapierte? Würde sie protestieren oder ihm mit einem tadelnden Blick einen Klaps auf die Hand geben?
    Mary blieb auf der Schwelle stehen, und er wartete geduldig darauf, dass sie einträte. Sie neigte den Kopf zur Seite, musterte Hamish wortlos und betrat das Zimmer dann so vorsichtig wie ein Jungfrauenopfer den Altarraum. Hamish ließ die Tür zuschwingen, drückte sie nur am Ende ins Schloss.
    Da die Schießscharten zugestopft und die Klappläden des Fensters geschlossen waren, herrschte dank des Kohlenbeckens eine behagliche Wärme im Raum. Hamish nahm Mary ihre Kerze ab und stellte sie auf ein schmales Bord.
    »Was ist das?« Mary deutete auf die hohe Bronzefigur auf ihrem Podest.
    »Shiva – Nataraja.«
    Marys Augen weiteten sich. »Warum habt Ihr dieses Ding hier bei Euch?«
    »Warum nicht?« Er betastete den bronzenen Flammenkreis, in dem Shiva tanzte. »Shiva ist die höchste Wirklichkeit, der Herr des Universums, der zerstört und wiedererschafft. Er ist die dritte Gottheit in der Hindutrinität, der Trimurti – Brahma, Vishnu und Shiva –, und gilt als der furchteinflößendste der Hindugötter.«
    Seine Stimme klang monoton in seinen Ohren. Er würde Mary nicht sagen, dass es ihm guttat, das Bildnis dieses Gottes bei sich zu haben. Sie erinnerte ihn an Schlachten, die er, Hamish, gewonnen hatte – besonders in tiefer Nacht, wenn er das Bedürfnis hatte, sich an etwas zu erinnern, was er geleistet hatte.
    »Wieso tanzt er?«, wollte Mary wissen. Shiva tanzte auf einem Bein, den Fuß auf ein Wesen gestellt, den anderen hochgehoben, zwei Hände zum Himmel geöffnet, die anderen zwei eine Figur beschreibend, und schien sich zu einer Melodie zu bewegen, die nur er hören konnte.
    »Weil er die Quelle aller Bewegung im Universum verkörpert«, erklärte Hamish ihr.
    »Wenn er in Indien einen Jig tanzt, schlägt in Schottland eine Welle an die Küste?«
    Ihr spöttischer Unterton amüsierte ihn. Sie hielt offenbar nicht viel von dem Hindugott. »Vielleicht.«
    »Ich hätte gedacht, Ihr wolltet alles vergessen, was mit Indien zu tun hat.«
    »Nur weil einen eine Biene gestochen hat, muss man doch nicht alle Bienen hassen, Mary.«
    Sie musterte ihn fragend. »Wie könnt Ihr so nachsichtig sein?«
    »Es fällt mir nicht leicht«, antwortete er, »aber wenn ich mit dieser Erfahrung abschließen will, muss ich meinen Hass ablegen.«
    »Werdet Ihr das schaffen?«
    »Ich arbeite noch daran.«
    »Dafür bewundere ich Euch. Ich glaube nicht, dass ich dazu fähig wäre.«
    Er schwieg. Was sollte er auch sagen? Seine eigenen Sünden wogen schwerer als alles, was die Atavasi ihm angetan hatten.
    »Es ist gemütlich hier«, lobte sie nach einem prüfenden Blick, der das Bett wohlweislich nur blitzschnell streifte.
    Hamish hatte eine der Pritschen seiner Körperlänge angepasst und der Bequemlichkeit halber verbreitert. Natürlich wäre ihm ein Himmelbett mit seidenen Laken, weichen Kissen, Felldecken und kunstvoll gewebten Wollvorhängen lieber gewesen, aber für den Moment musste die Pritsche genügen.
    Mary schaute ihn mit ihren braunen Augen seltsam verwirrt an, als wüsste sie nicht recht, wo sie war und warum.
Dies ist ein Traum,
wollte er sagen.
Alles ist möglich an diesem Ort, während die Kerzen ihr weiches Licht verströmen und draußen der Wind um den

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