Geliebter Lord
ihn körperlich und seelisch erschöpft. Jetzt wollte er sich ausruhen, den Schlaf des Befriedigten schlafen in dem Wissen, dass Mary, wenn er aufwachte, da sein würde, als Wächterin über seine Ruhe.
»Wenn du hier bist, werde ich nicht träumen«, sagte er.
Sie legte die Hand an seine Wange, sanft und kühl. Wie konnte sie so kühl sein, während er noch immer so erhitzt war?
»Habe ich dir Genuss bereitet?« Diese Frage hatte er seit seinem ersten Zusammensein mit einer Frau nicht mehr gestellt.
Mary nickte, doch er wollte ihre Bestätigung
hören.
»Habe ich dir Genuss bereitet?«, wiederholte er.
»Ja.« Sie küsste ihn auf den Mundwinkel und hauchte: »Oh ja.«
Nur das, keine Ausschmückung oder glühende Beteuerung, nur die simple Bestätigung, die er verlangt hatte. Er wollte noch weiterfragen, doch schon der Wunsch wurde von einer plötzlichen und überwältigenden Müdigkeit ausgelöscht.
»Bleib bei mir«, bat Hamish. Er würde es den anderen schon erklären, dachte er, als der Schlaf ihn in seine Arme zog.
Kapitel 10
M ary beobachtete, wie Hamish vom Schlaf übermannt wurde. Sie selbst war von einer seltsamen Lebhaftigkeit erfüllt, die sie so noch nie empfunden hatte – als hätte Hamish ihr nicht nur seinen Samen gegeben, sondern auch eine geheimnisvolle Kraft übertragen.
Was hatte sie getan? Etwas Verruchtes, Lüsternes – und absolut Wundervolles. Wer sollte es ihr vorwerfen? Weder ihre längst verstorbenen Eltern noch ihr dahingegangener Ehemann, und ihre Freunde waren weit weg. Sie befand sich an einem fremden Ort, mit einem Fremden, der ihr gerade Freude und Genuss bereitet hatte.
Träge ließ sie den Blick durch den Raum wandern. Der Feuerschein aus dem Kohlenbecken warf tanzende Schatten an die Wände, aber diesmal wirkten sie nicht furchteinflößend. Mary stand auf, blies die Kerzen aus und kehrte zu Hamish zurück.
Er war so groß und breit, dass er nahezu die ganze Pritsche einnahm. Mit seiner Tätowierung wirkte er wie eine Kreatur aus der Schattenwelt der Alpträume, geschaffen aus unvorstellbarer Grausamkeit.
Ohne ihn zu berühren, zeichnete sie die Umrisse des Bildes nach, das die Folterer in sein Fleisch geschnitten hatten, des Bildnisses von Shiva, dem Schöpfer und Zerstörer. In gewisser Weise traf diese Beschreibung auch auf Hamish zu: Er hatte ihre Einsamkeit zerstört und eine Sehnsucht in ihr erschaffen.
Es ist nicht Liebe, was ich von Euch will.
Trotzdem hatte sie keinen Rückzieher gemacht. Nie war sie berauschender geliebt worden, auch wenn gar keine Liebe im Spiel gewesen war. Sinnlichkeit, Leidenschaft, Schamlosigkeit, aber keine Liebe.
Sie sollte sich in ihre Kammer hinunterschleichen. Wieso schleichen? Brendan hatte bestimmt bemerkt, dass sie nach oben gegangen war. Es hatte sich nicht geziemt, Hamish abends in seinem Zimmer zu besuchen – aber sie hatte es in der Hoffnung getan, dass ihr Besuch sich entwickeln würde, wie er sich dann entwickelt hatte.
Da war sie, die Wahrheit. Endlich.
Hester und Micah würde Mary nichts erklären müssen, denn die schliefen ja dankenswerterweise im Hauptgebäude. Genau genommen schuldete sie auch Brendan keine Erklärung, doch sich für ihre Handlungen zu rechtfertigen war eine tief in ihr verwurzelte Angewohnheit, mit der zu brechen nicht einfach war. Und so ersann Mary ein Dutzend einleuchtende Ausreden dafür, dass sie bei Hamish übernachtet hatte, obwohl es wahrscheinlich niemand interessieren würde.
Würden sie ihr ansehen, wie sie die letzte Nacht genossen hatte? Und falls ja, würden sie sie dafür verurteilen – oder könnten sie nachempfinden, dass das Bedürfnis nach körperlicher Nähe ebenso stark war wie das nach Nahrung?
»Bleib bei mir«, murmelte Hamish, und sie stimmte flüsternd zu.
Als sie seinen linken Arm streckte, bemerkte sie, dass der Muskel sich gespannt anfühlte. Ein gutes Zeichen? Sie konnte es nicht mit Sicherheit sagen. Vielleicht war der Schaden auch irreparabel.
Sie schloss die Augen und spürte ihr Gesicht warm werden, als ihr bewusst wurde, dass sie, Mary Gilly, nackt neben Hamish lag und ihr Körper noch immer in der Erinnerung an die Liebesnacht schwelgte.
Lächelnd setzte sie sich auf, zog die Decke vom Fußende aus über sie beide und schmiegte sich an Hamish. Nur noch ein paar Minuten, sagte sie sich.
Als Mary aufwachte, schien die Sonne zum Fenster herein und frische, aber nicht kalte Luft erfüllte den Raum.
Hamish stand vollbekleidet vor der Pritsche und
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