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Geliebter Lord

Geliebter Lord

Titel: Geliebter Lord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Ranney
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lächelte auf Mary herunter.
    Sie stützte sich auf einen Ellbogen und erwiderte sein Lächeln zerknirscht. »Ich wollte eigentlich vor Tagesanbruch verschwinden.«
    »Mach dir keine Sorgen«, sagte er. »Niemand wird dich dafür verachten, dass du bei mir warst.«
    »Weißt du, was andere Menschen denken, oder befiehlst du denen, die hier auf Castle Gloom leben, einfach, das Gleiche zu denken wie du?«
    »Castle Gloom?«, wiederholte er amüsiert. »So nennst du es? Ich habe es
Aonaranach
getauft.«
    »Das gälische Wort für ›einsam‹. Ja – das passt.« Sie raffte das Einschlagtuch um sich und setzte sich auf die Bettkante.
    »Du sprichst Gälisch?«, fragte er überrascht.
    »Meine Eltern taten es, wenn sie etwas vor mir verheimlichen wollten. Sie haben nie begriffen, dass ihre Geheimnistuerei ein großer Ansporn für mich war, die Sprache zu erlernen.« Sie stand auf, wickelte sich in das Einschlagtuch und klemmte sich die Enden unter die Arme.
    Hamish wurde ernst. Wenn er sie jetzt küsste, würde sie ihm wahrscheinlich all die Geheimnisse ihres Lebens offenbaren. Wenn er ihr jetzt ins Ohr flüsterte, würde sie wahrscheinlich jedem Vorschlag zustimmen, den er ihr machte. Und wenn er sie jetzt aufs Bett würfe, würde sie wahrscheinlich nicht besonders heftig protestieren.
    »Ich sollte mich ankleiden«, sagte sie, als das Schweigen unbehaglich zu werden begann. »Wir müssen schließlich frühstücken.«
    »Brendan hat bereits Frühstück heraufgebracht.« Hamish zeigte zum Tisch, auf dem ein Tablett stand.
    Mary spürte ihre Wangen warm werden, als sie zwei Becher und zwei Teller darauf erkannte, aber ihre Verlegenheit war nicht so groß, wie es angebracht gewesen wäre. Die Erinnerung an die Freuden der vergangenen Nacht war stärker als der Gedanke an Sitte und Anstand.
    »Ob Hester und Micah auch schon Bescheid wissen?«
    »Ich weiß nicht, ob Brendan es ihnen erzählt hat oder noch erzählen wird. Ich weiß nur, dass er nicht der Verschwiegenste ist.«
    »Bist du sicher, dass ihr Brüder seid?« Äußerlich bestand zwar eine gewisse Ähnlichkeit zwischen den beiden, obwohl Brendan feingliedriger und nicht so groß und das Braun seiner Augen nicht so dunkel war wie das von Hamishs – aber vom Wesen her unterschieden sie sich eklatant. Hamish wirkte gereift, während Brendan etwas Jungenhaftes hatte.
    »Diese Frage habe ich meiner Mutter einmal gestellt, als ich noch klein war«, erinnerte Hamish sich mit einem Lächeln, »und sie war hell entsetzt.«
    Auch Mary lächelte, und wieder herrschte Schweigen.
    »Ich sollte mich ankleiden«, sagte sie noch einmal. Er nickte, rührte sich jedoch nicht vom Fleck. Sie nahm die Sachen von dem Stuhl, auf den er sie ordentlich zusammengefaltet aufeinandergelegt hatte.
    »Willst du mir etwa zusehen?«
    »Darf ich?« Sein Lächeln war herausfordernd-neckend. »Es wäre ein schöner Tagesbeginn für mich.«
    »Nein«, antwortete sie ebenfalls lächelnd.
    Er drehte sich dem Fenster zu, und Mary begriff, dass das alles an Ungestörtheit war, was er ihr zugestand.
    Sie ließ das Leinentuch fallen und schlüpfte in ihr Unterkleid. Das zarte Gewebe glitt an ihr entlang wie der Atem eines Geliebten.
    »Bleib bei mir, Mary«, bat Hamish unvermittelt.
    Sie verharrte mitten in der Bewegung und starrte auf seinen Rücken.
    »Bleib bei mir«, wiederholte er. »Nicht für immer, aber für eine Weile.«
    Mary setzte sich aufs Bett und streifte ihre Strümpfe und Strumpfbänder über. Dann legte sie das Korsett an, wobei sie auf die Schnüre mehr Zeit verwendete als nötig.
    Er schaute über die Schulter zu ihr herüber. Sie griff nach ihrem Rock und hielt ihn schützend vor sich.
    »Das kann ich nicht«, sagte sie, als ihre Stimme ihr wieder gehorchte. »Es gibt Menschen in Inverness, die meiner Hilfe bedürfen.«
    Hamish wandte sich wieder dem Blick auf See und Meer zu, und Mary zog den Rock an und dann das Mieder. Auf der Suche nach ihren Schuhen entdeckte sie sie, ordentlich nebeneinanderstehend, an der Wand. Sie holte sie und setzte sich wieder.
    »Ich brauche dich auch.«
    Ihre Daumen, die sie als Schuhanzieher eingesetzt hatte, blieben zwischen Strümpfen und Hacken stecken. Noch nie hatte sie diese Worte aus dem Munde eines Mannes gehört – nicht einmal aus dem ihres Ehemanns.
    Wie Hamish da am Fenster stand, sehr aufrecht, mit erhobenem Kopf und gestrafften Schultern, konnte sie sich gut vorstellen, wie er auf dem Deck seines Schiffes in die Ferne blickte. Er war ein

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