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Geliebter Lord

Geliebter Lord

Titel: Geliebter Lord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Ranney
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entfernt. Er trug keine Jacke, und der von Norden kommende Wind spielte mit seinem Hemd und seinem Haar. Hamish stand regunglos da, als trotze er den Naturgewalten. Allein. Einsam.
    Erwartete er, dass sie seine Bitte ablehnte? Sie sollte es freundlich und mit wohlgewählten Worten tun, die ihm deutlich machten, dass sie sehr gerne bei ihm bleiben würde, sich jedoch um ihren guten Ruf sorgte.
    Selbstironisch lächelnd dachte sie, dass es dafür jetzt etwas zu spät war.
    Sie setzte sich wieder aufs Bett und beendete den Brief.
    Natürlich weiß ich, dass meine Entscheidung es mir unmöglich macht, mich mit Mr. Marshall zu treffen. Bitte übermittle ihm mein tiefes Bedauern und bitte ihn in meinem Namen um Vergebung. Ich kann den Patienten nicht sich selbst überlassen.
     
    Deine Freundin Mary
    Sie versiegelte die Briefe und starrte dann darauf hinunter. Wie unschuldig sie aussahen. Niemand würde auf den Gedanken kommen, dass sie eine schockierende Entscheidung enthielten. Von diesem Moment an hatte sie ein Geheimnis. Niemand in Inverness würde jemals erfahren, dass sie nicht die anständige Witwe war, für die alle sie hielten, dass sie dem Leben, das sie bisher geführt, und der Person, als die sie sich der Öffentlichkeit bisher präsentiert hatte, für eine Weile den Rücken gekehrt hatte. Die Erinnerung an diese Zeit würde sie in ihrer kalten Zukunft wärmen.
    Der Aufenthalt auf Castle Gloom bedeutete einen Ausflug in die Sinneslust und den Genuss, einen kurzen Ausbruch aus ihrem wohlgeordneten Leben. Oder etwas, was sie sich nicht recht eingestehen wollte – eine Neugier auf Verbotenes oder einfach den Wunsch, die Tiefen ihrer eigenen Wildheit auszuloten.
    Eines Tages würde das Feuer ihrer rebellische Natur, die sie tunlichst vor der Welt verbarg, erlöschen, und von da an wäre sie wirklich eine der anständigen Matronen von Inverness. Dann würde sie, falls überhaupt, nur noch mit einer leisen Wehmut, wie sie das ferne Läuten einer Kirchenglocke weckte, an das innerlich ungebärdige Geschöpf denken, das sie gewesen war.
    Aber so weit war es noch nicht.

Kapitel 11
    H ältst du das wirklich für klug?« Brendan schaute auf die Briefe hinunter, die er in den Händen hielt.
    Hamish antwortete nicht. Es gab Fragen, die man einfach nicht stellen sollte, aber das müsste sein Bruder erst noch lernen. Manchmal dachte er, Brendan würde nie wirklich erwachsen. Er besaß die unbekümmerte Sorglosigkeit eines Heranwachsenden. Der einzige Ort, an dem er nicht mit fröhlicher Nachlässigkeit, sondern überlegt und verantwortungsvoll handelte, war die Brücke seines Schiffs. Trotzdem kam es Hamish vor, als wäre Kapitän eine Rolle für Brendan, in die er schlüpfte wie in einen zu großen Mantel, der ihm beinahe zu schwer auf den Schultern lag.
    »Ich will, dass du Hester und Micah mitnimmst.«
    »Aber du brauchst doch Personal«, protestierte Brendan.
    »Ich habe in den drei Wochen bis zu deiner Rückkehr wunderbar
ohne
gelebt«, hielt Hamish dagegen, »und wir werden ohne Dienerschaft zurechtkommen.«
    »Dann willst du Mary also tatsächlich hier gefangen halten?«
    Der Gedanke machte Hamish lächeln. Mary Gilly würde sich von keinem Mann gefangen halten lassen. Hatte Brendan sie nicht gut genug kennengelernt, um das zu wissen?
    »Lass mir dein Pferd da. Wenn die Zeit gekommen ist, werde ich dafür sorgen, dass sie wohlbehalten nach Inverness gelangt.«
    »Wann wird das sein, Hamish?«
    »Das sagte ich doch – wenn die Zeit gekommen ist«, erwiderte er heftiger als beabsichtigt.
    Brendan schaute wieder auf die Briefe hinunter.
    »Die eine Adresse kenne ich – das ist der Laden des Goldschmieds. Aber die andere …«
    »Eine Freundin von Mary. Du verübelst ihr doch nicht etwa, dass sie einer Freundin schreibt?«
    »Ich verüble ihr, dass sie einen Fehler macht. Und für dich gilt das Gleiche.«
    »Bist du plötzlich der Hüter unserer Moral, Brendan? Ich brauche keinen väterlichen Rat von dir. Kehre nach Gilmuir zurück und vergiss uns.«
    »Vor Indien hättest du so etwas nie getan, Hamish.«
    Nichts konnte die Vergangenheit zurückholen – oder den Mann, der er gewesen war.
    »Und wenn Marys Freunde mich ausfragen? Was soll ich ihnen antworten?«
    »Schweigen wäre die beste Antwort, Brendan.«
    »Die Welt da draußen ist nicht wie deine Einsiedelei hier, Hamish«, argumentierte Brendan mit einer das Castle umfassenden Geste. »Sie ist kein verlassener Ort wie diese Festung. Sie ist voller

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