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Geliebter Moerder - Eine wahre Geschichte

Geliebter Moerder - Eine wahre Geschichte

Titel: Geliebter Moerder - Eine wahre Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Ganzwohl
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schießen. Olaf legt seinen Arm um mich.
    »So schlimm?«
    Ich ziehe die Nase hoch und wische mir die Tränen aus dem Gesicht.
    »Ich weiß doch auch nicht, wie ich damit umgehen soll. Es ist so verdammt schwierig.«
    »Wolltet ihr nicht eine Paartherapie anfangen?«
    »Ganz schlechtes Thema. Claus hat es zwar versprochen, übt sich aber jetzt in Verzögerungstaktiken.«
    »Kann ich auch irgendwie verstehen. Bestimmt hat er die Schnauze voll von Therapien.«
    »Schon klar, aber ich glaube, es würde uns helfen. Mir würde es helfen, verdammt.«
    »Ist ja gut, ist ja gut. Wahrscheinlich wäre so eine Therapie echt das Beste. Gib deinem Cläuschen einfach mal ’nen Tritt in seinen durchtrainierten Knackarsch. Und versprich mir, dass du nicht mehr auf Hochhäuser kletterst.«
    Ich ziehe ziemlich unweiblich den Rotz hoch.
    »Versprochen.«
    »Und jetzt auf zur nächsten Konfrontationstherapie. Auf in den Knast.«
    Wenn man die Website der JVA Vechta aufruft, kann man nachlesen, dass in der Hauptanstalt knapp hundertfünfzig inhaftierte Frauen wohnen können, auf drei Etagen in sieben Gebäudeteilen – die Gefängnisleitung benutzt hier wirklich das Wort »wohnen«. Hinzu kommen sechzig Frauen im offenen Vollzug, das heißt, dass sie tagsüber die Haftanstalt verlassen dürfen – so wie Claus gegen Ende seiner Haftzeit in Stadelheim. Allerdings verließ er die JVA nicht, um zu arbeiten, wie die meisten Strafgefangenen, sondern um in der Stabi, der Münchner Staatsbibliothek, für seinen Abschluss in Wirtschaftsinforma tik zu büffeln, und später, um Bewerbungen auf dem Computer zu schreiben.
    Auf der Homepage des Frauengefängnisses in Vechta ist die Rede von einem »Areal von 9 368 m 2 mit Frei flächen für Freistunden und Freizeitaktivitäten«. Neben den vielen »Frei«-Vorsilben findet man auch die Begriffe »Orientierung«, »Lebensraum«, »Beratung« und »individuelle Belange«. Alles in allem klingt es nicht wie die Beschreibung eines Gefängnisses, sondern eher wie die eines Internats und spiegelt das Ziel wider, das sich der Strafvollzug heute auf die Fahnen geschrieben hat: Resozialisierung, also die rasche Wiedereingliederung ehemaliger Straftäter in die Gesellschaft. Es wirkt human, nicht allzu streng, sondern eher zu locker. Die Argumente all derer, die nach »härteren Strafen« rufen, kommen einem in den Sinn, wenn man sich durch die Homepage klickt.
    Einige Zeitungsartikel über das Frauengefängnis schildern die Lage allerdings nicht ganz so rosig. Von Überbelegung, fehlenden Rückzugsmöglichkeiten, Doppelbelegungen in Einzelhafträumen, massiven Drogenmissbrauchsproblemen und viel schlechteren Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten als im Männervollzug ist da die Rede.
    Dass die Website der JVA täuscht und dass ein Gefängnis ein Gefängnis bleibt und eben kein Kuschelknast ist, wird klar, sobald man das Gebäude betreten hat. Der schneidende Tonfall der beiden Vollzugsbeamtinnen am Eingang lässt mich die Faust in der Jackentasche ballen. Man ermahnt uns, wirklich alle Handys am Eingang abzugeben, und droht mit weitreichenden Konsequenzen, wenn wir uns nicht daran halten – offenbar hat man mit Journalisten in dieser Hinsicht schon schlechte Erfahrungen gemacht.
    Ich weiß bereits von Claus, dass Handys in allen JVA s streng verboten sind, da sich die Anrufe und SMS nicht kontrollieren lassen und es daher leicht möglich wäre, mithilfe des Handys Ausbruchsversuche zu organisieren oder – was wahrscheinlicher ist – Straftaten zu planen. Anrufe nach draußen sind in den meisten Haftanstalten nur einmal pro Woche oder seltener erlaubt, müssen vorher angemeldet werden und sind von einem Festnetzapparat zu tätigen, der jederzeit abgehört werden kann.
    Claus hat mir aber auch ein paar Schnappschüsse gezeigt, die ihn beim Kraftsport in Stadelheim zeigen – er sieht darauf viel bulliger und muskulöser aus als heute, da es hinter Gittern natürlich viel einfacher ist, Kraft als Aus dauer zu trainieren – aufgenommen wurden diese Fotos mit dem eingeschmuggelten Handy eines Mithäftlings. Die Ermahnungen der Vollzugsbeamtinnen sind also kei neswegs unberechtigt – aber sie hören sich in etwa so an wie Fräulein Rottenmeier in Heidi, das nervt.
    »Was für ätzende Rottweiler«, flüstert mir Olaf zu, und ich nicke grinsend.
    Wir bekommen Besucher-Schildchen zum Anstecken und werden von einer weiteren Beamtin durch lange Gänge geführt.
    »Sie sind also Wärterin …«, versucht Olaf ein

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