Geliebter Moerder - Eine wahre Geschichte
Gespräch in Gang zu bringen.
Ich räuspere mich und schubse ihn von hinten.
»Nein, bin ich nicht«, sagt die Dunkelhaarige prompt. »Wärter gibt’s höchstens im Zoo.«
»Ähm, ach so«, erwidert Olaf.
»Vollzugsbeamte – es heißt Vollzugsbeamte«, zische ich ihm durch zusammengebissene Zähne zu. Die Begriffe »Schließer« und »Wärter« wurden schon vor Jahren abgeschafft und werden von vielen Mitarbeitern in Haftanstalten nicht gern gehört.
»Sie haben sich wohl richtig gut vorbereitet, was?«, fragt unsere Begleiterin und dreht sich kopfschüttelnd zu uns um. Na, das fängt ja gut an.
Schon nach zehn Minuten bin ich genervt davon, dass ich mich nicht frei bewegen kann. Wenn ich zur Toilette möchte, kommt eine Beamtin mit und sperrt mir auf der kurzen Strecke vier Türen auf. Genauso ergeht es Olaf, der seinen Objektivkoffer aus Versehen im Eingangsbereich stehen ließ und noch einmal zurückmuss. Claus hat mir erzählt, dass man sich nach einiger Zeit so sehr daran gewöhnt, nicht einfach durch eine Tür hindurchgehen zu können, sondern immer darauf warten zu müssen, bis einer aufschließt, dass er auch Wochen nach der Entlassung unwillkürlich an Türen stehen blieb, bis ihm wieder einfiel, dass er sie jederzeit öffnen und einfach in den nächsten Raum oder nach draußen marschieren kann.
Unsere Köpfe dröhnen vor Ermahnungen und Vorschriften: keine Nahaufnahmen von Schlüsseln oder Schlössern; keine spontanen Fotos von Gefangenen; keine Gegenstände irgendwo herumliegen lassen, die Diebstahlsgefahr sei enorm; kein Schritt ohne Aufsicht; keine Geschenke an die Gefangenen, nicht mal einen Kaugummi oder einen Stift, und so weiter und so fort.
Einigen gefangenen Frauen sind wir schon begegnet, wohl eine Gruppe auf dem Weg von den Zellen zur Arbeit oder zurück. Alle haben sich umgedreht und gekichert, zwei haben Olaf hinterhergepfiffen.
»Hey, Zuckerbaby«, rief eine.
»Oh, oh«, sagte er leise zu mir.
»Sag denen bloß nicht, dass du schwul bist«, flüsterte ich.
»Doch, ich glaube, ich lasse es mir sicherheitshalber heute Abend aufs T-Shirt drucken«, flüsterte er zurück.
»Jetzt sei doch nicht so, die wollen doch nur nett sein.«
»Du hast leicht reden. Hast du gesehen, wie die aussehen?«
Insgeheim musste ich Olaf recht geben. Die meisten sahen bleich aus, wirkten knochig und aufgequollen zugleich und hatten strähniges Haar. War das ein Unterschied zum Männerknast? Claus hatte immer davon erzählt, was für gut aussehende Jungs zusammen mit ihm einsaßen. Einer scheint dazu noch ein derartiger Herzens brecher gewesen zu sein, dass er sogar eine der jungen Therapeutinnen rumgekriegt hatte.
»Sex?!«, fragte ich. »Und wo bitte schön?«
»Na, wahrscheinlich während einer Einzelsitzung. Ich war nicht dabei.«
»Das stimmt doch nie und nimmer.«
»Aber hallo, und ob das stimmt. Wir waren alle in sie verliebt, aber er bekam sie …«
»Und du? Hast du auch geflirtet oder Psychologinnen aufgerissen?«
Claus sieht mich lange an.
»Kristin, was ist das für eine Frage? Ich wollte nie wieder eine Freundin oder Frau haben. Ich fand, ich hatte es nicht verdient. Außerdem trauerte ich noch immer um Elke.«
»Entschuldigung. Aber ich meinte ja auch keine feste Beziehung …«
»Ich fand diese Therapeutin wirklich süß. Und wie gesagt, wir waren alle verknallt in sie.«
»Du wolltest nie wieder eine Freundin haben?«
»Nein. Das ist doch wohl verständlich nach allem, was ich angerichtet habe.«
»Und Sex? Wolltest du auch nie mehr Sex haben?«
»Kristin, bitte.«
»Was ist an dieser Frage so schlimm?«
Claus zögert, antwortet dann mit leiser Stimme.
»In den ersten zweieinhalb Jahren war Sex kein Thema. Danach habe ich ihn nicht für immer ausgeschlossen.«
»Und irgendwann hast du dir dann auch eine neue Beziehung gewünscht.«
»Die Therapien haben bewirkt, dass ich mich nach Jahren wieder getraut habe, diesen Gedanken überhaupt zu denken. Also, den Gedanken, dass es für mich irgendwann wieder so etwas wie eine Beziehung geben könnte.«
»Haben wir nur ›so etwas wie eine Beziehung‹«?
»Sei nicht albern. So oft, wie wir uns streiten, haben wir praktisch eine Ehe.«
Ich lache und küsse ihn.
»Danke, dass du so ehrlich bist.«
Olaf und ich erreichen die Knastschneiderei, in der Taschen und Bettwäsche genäht werden; etwa fünfzehn Frauen arbeiten hier. Alle Köpfe fahren herum, wie in einer Schulklasse beginnt Getuschel und Gekicher. Unser »Hallo
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