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Geliebter Normanne

Geliebter Normanne

Titel: Geliebter Normanne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Michéle
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würde, sie einzuholen – der Übermacht und den Waffen von de Mantes’ Leuten wäre er nicht gewachsen. Lautlos betete Hayla, dass Bosgard von einer Verfolgung absehen würde. Sie hatte sich ausgeliefert, um neues Blutvergießen zu verhindern und um Bosgards Leben zu retten.
    Eine Wolke schob sich vor den Mond und tauchte die Kammer in völlige Dunkelheit. Hayla hörte das regelmäßige Atmen von Constance Aubrey und fragte sich, welchen Plan die Adlige wohl verfolgte. Sie war eindeutig guter Hoffnung. Das ließ sich nicht verleugnen, denn in dem engen Kleid zeichnete sich deutlich ein runder Bauch ab. Hayla schätzte, dass Constance im vierten oder fünften Monat war. Sie hatte Constance nie geglaubt, dass diese bereits seit Monaten in Cornwall weilte und sich heimlich mit Bosgard getroffen hatte. Das war so absurd, dass es beinahe schon lächerlich war. Wer jedoch war der Vater ihres Kindes? Vielleicht Ralph Clemency, der sich offenbar mit Constance bestens zu verstehen schien? Trotz allem glaubte Hayla nicht an eine solche Verbindung. Niemand, der klaren Verstandes war, würde sich freiwillig mit diesem Mann einlassen. Nein, die
Freundschaft
zwischen Constance und Ralph musste einen anderen Grund haben. Als Bosgard damals verwundet aufgefunden wurde, hatte Hayla sofort Ralph in Verdacht gehabt. Nun jedoch zog sie auch Constance in Betracht, etwas mit dem Überfall zu tun gehabt zu haben. Ihre Gedanken schweiften zu Waline. Ob sie wohl noch lebte, jetzt, da sie wieder genug zu essen und zu trinken hatte? Obwohl die alte Magd mit Hayla oft uneins gewesen war, besonders was ihre Liebe zu Bosgard anging, vermisste Hayla sie. Sie seufzte leise. Da waren so viele Fragen in ihrem Kopf, auf die sie nie eine Antwort erhalten würde. Sie konnte nur hoffen, Bosgard wäre so vernünftig, in Cornwall zu bleiben, damit er eines Tages ein ruhiges und beschauliches Leben führen konnte.
     
    Sie brachen bei Sonnenaufgang auf. Ein wolkenloser Himmel versprach einen weiteren heißen Tag, und Hayla war erleichtert, als zu ihrer Bewachung nicht mehr Ralph, sondern Constance Aubrey, ihre Kammerfrau Luchia und der junge Hugo bestellt wurden. Sie mussten sich zwar zu viert in den engen Wagen drängen, und Hayla mochte Constance nicht, aber deren Anwesenheit war leichter zu ertragen als die Ralphs, denn Constance würde sie wenigstens nicht andauernd belästigen. Bevor Hayla einstieg, lenkte Ralph sein Pferd an ihre Seite, beugte sich herab und raunte ihr leise zu: »Glaub ja nicht, du kannst mir entkommen, auch wenn de Mantes schützend seine Hand über dich hält. Ich werde schon noch bekommen, was mir seit langem zusteht.«
    Trotz der Wärme rann ein kalter Schauer durch Haylas Körper. Sie fürchtete sich mehr vor Ralph Clemency als vor dem Urteil des Königs. Wie lange würden sie noch nach London brauchen? Fünf Tage, und wenn das Wetter gut blieb, vielleicht auch nur vier. Das waren vier Tage und vier Nächte, in denen viel geschehen konnte, und Yven de Mantes konnte seine Augen nicht überall zugleich haben.
    Constance Aubrey versuchte nicht, ihren Unwillen, mit Hayla in einem Wagen zusammengepfercht zu sein, zu verbergen. Constance empfand es als Zumutung, mit Hayla die Kammer zu teilen und auf die Gefangene achtgeben zu müssen. Darum ließ sie keine Gelegenheit aus, Hayla zu verspotten und Lügen über Bosgard zu erzählen.
    »Schon damals, als wir beide noch am Hof lebten, konnte Bosgard nie seine Finger von mir lassen.« Constance kicherte wie ein junges Mädchen. »Jede dunkle Ecke, jede verschwiegene Kammer war ihm recht, um einen heimlichen Kuss von mir zu stehlen. Manchmal auch mehr …« Sie kicherte und schlug sich die Hand vor den Mund. »Aber das kennst du ja alles selbst, nicht wahr, Hayla? Bosgard kann sehr charmant sein, wenn er eine Frau leidenschaftlich begehrt.«
    Hayla presste die Kiefer zusammen, starrte durchs Fenster nach draußen und tat so, als erreichten Constances Worte sie nicht. Dabei stach jedes einzelne wie ein Dorn in ihr Herz, doch Hayla wollte Constance nicht die Genugtuung geben, dass sie sich durch ihre Worte provoziert fühlte. Es war zwar eindeutig, dass Constance log, wenn sie nur den Mund aufmachte, und diese Farce, sie und Bosgard wären ein Paar gewesen, immer noch aufrechtzuerhalten, war lächerlich, aber Hayla fühlte sich einem Streit mit ihr nicht gewachsen. Zudem tat es weh, Constance Bosgards Namen aussprechen zu hören. Manchmal fing sie einen Blick von Luchia auf und erkannte

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