Geliebter Normanne
dem Teufel höchstpersönlich verbünden müsste.«
Constance Aubrey zog scharf die Luft ein, dann sagte sie leise: »Auch wenn du dem Tod näher bist als dem Leben, Mädchen, solltest du dir deine Worte überlegen. Oder willst du für immer im Fegefeuer brennen?«
»Ausgerechnet Ihr sprecht vom Fegefeuer?« Hayla lachte höhnisch. »Wenn hier jemand Angst vor ewiger Verdammnis oder gar vor der Hölle haben sollte, dann wohl Ihr,
Lady
Constance. Ihr habt gelogen und betrogen, und ich vermute, Ihr wart ebenfalls an dem feigen Mordanschlag auf Bosgard beteiligt. Und Ihr tragt den Bastard irgendeines hergelaufenen Mannes unter Eurem Herzen …«
Constance schlug Hayla mit der flachen Hand mitten ins Gesicht. Ihr schönes Antlitz war wutverzerrt, und sie holte aus, um erneut zuzuschlagen, doch Ralph fing ihren Arm ab. Mit einem süffisanten Lächeln sagte er: »Das Mädchen hat nicht unrecht, Constance, aber bitte, züchtigt sie jetzt nicht. Das könnt Ihr immer noch machen, wenn ich mit ihr fertig bin, zuvor möchte ich einen Körper ohne Blutergüsse unter mir spüren.«
Constance warf Hayla einen letzten hasserfüllten Blick zu, dann rauschte sie ohne ein weiteres Wort zur Tür hinaus. Hayla konnte nicht verhindern, dass Ralph ihr vertraulich in die Wange zwickte und sagte: »Bis bald, Hayla. Ich werde schon dafür sorgen, dass du Bosgard ganz schnell vergisst.«
Der Schlüssel drehte sich im Schloss, zusätzlich wurde noch ein Riegel vor die Tür geschoben. Am ganzen Körper zitternd, sank Hayla aufs Bett. Sie schlug die Hände vors Gesicht und seufzte. Die Gemeinheiten von Constance Aubrey und Ralph Clemency waren ihr nicht neu, aber der Verrat von Lady Elfgiva entsetzte sie zutiefst. Als Hayla noch ein Kind war und im Haushalt von Harold lebte, hatte Elfgiva die Mutterstelle bei ihr vertreten. Nun war sie zwar mit einem Normannen verheiratet und lebte unter seinesgleichen – aber auch Hayla hatte ihr Herz an einen der Eroberer verloren und wäre dessen Frau geworden, dennoch hätte sie niemals jemanden von ihresgleichen verraten. Wenn Lady Elfgiva bestätigte, dass Harold ihr leiblicher Vater war, dann zweifelte Hayla auch nicht mehr daran, denn Elfgiva hatte dem angelsächsischen König immer sehr nahegestanden. Trotz der ausweglosen Situation, in der sie sich befand, bedauerte sie, nicht früher über ihre Abstammung Bescheid gewusst zu haben. Sie erinnerte sich an die edlen Gesichtszüge Harolds – an die hohe Stirn, die blauen Augen und an die sanft geschwungene Nase. Ein bitteres Lächeln umspielte Haylas Lippen. Erst jetzt wurde ihr bewusst, wie ähnlich sie Harold sah. Zwischen dem Mann, den sie für ihren Vater gehalten hatte, und ihr hatte es keine Ähnlichkeit gegeben, und Hayla hatte immer gedacht, sie schlüge ihrer Mutter nach, die so früh gestorben war, dass Hayla sich nicht mehr an sie erinnern konnte. Nun jedoch war alles verändert, und jeder, der Harold gekannt hatte, würde bestätigen können, dass sie seinen Lenden entsprungen war.
Haylas Gedanken eilten zu Bosgard. Würde er je erfahren, was man ihr angetan und welche Rolle Elfgiva de Mantes dabei gespielt hatte? Die Lady hatte zwar gesagt, König William wäre auf dem Weg nach London, aber Hayla hielt das für eine Lüge. Sie hatte sie nur in ihr Haus locken wollen, wo sie Ralph hilflos ausgeliefert war.
»Nein, ich will jetzt nicht an Ralph denken.« Laut sprach Hayla die Worte aus. Sie würde ertragen, was das Schicksal ihr auferlegte, aber sie würde sich Ralph nicht kampflos ergeben. Sie stand auf und nahm den Stuhl in die Hand. Er war einfach und wenig stabil, und Hayla gelang es binnen kurzer Zeit, eines der Beine aus der Verankerung zu lösen. Das Stück Holz war nicht viel, aber es war hart und die einzige Waffe, die Hayla zur Verfügung stand. Wahrscheinlich würde ein Schlag nicht ausreichen, um Ralph außer Gefecht zu setzen, aber als erste Abwehr mochte das Stück Holz ausreichen. Als sie Geräusche vor der Tür hörte, versteckte sie das Stuhlbein schnell unter der Bettdecke, aber es waren nur zwei Frauen, die einen Waschzuber und Eimer mit heißem Wasser brachten. Hayla seufzte. Wenn ihr Leben nun bald zu Ende sein würde, dann könnte sie ruhig vorher baden. Vielleicht würde es Gott gefallen, wenn sie sauber vor seine Augen trat.
»Na, auch schon wach?«, fragte Ralph spöttisch, als Mandric die Halle betrat. Sein helles Haar war zerzaust, und seine Augen waren gerötet. »Das Täubchen ist in unserer Gewalt.
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