Geliebter Normanne
Wir waren nicht untätig, während du geschlafen hast.«
Mit einem Schlag war Mandric hellwach. »Hayla ist in diesem Haus?«
Constance nickte und deutete mit dem Finger an die Decke. »Sie ist in einer der Dachkammern. Es ging alles problemlos vonstatten. Die Wachen am Tower haben das Dokument mit dem königlichen Siegel nicht angezweifelt. Die dummen Tröpfe denken, der König wäre wirklich auf dem Weg nach London und wünschte, die Gefangene in diesem Haus zu haben.«
Mandric warf Ralph einen Blick zu. »Ihr versteht Euch offenbar auf das Fälschen von Dokumenten, Sir.«
Mandric wusste längst, was für Pläne die normannische Dame und der verschlagene Ralph Clemency verfolgten. Beide hassten Bosgard de Briscaut von ganzem Herzen. Lady Constance deshalb, weil er sie verschmähte und nicht zur Frau haben wollte, Ralph, weil er stets in Bosgards Schatten gestanden hatte und seinem Schwager den Besitz und die daraus resultierenden Einnahmen neidete.
»Was habt Ihr mit Hayla vor?«, fragte Mandric leise und sah von einem zum anderen.
Ralph leckte sich genüsslich die Lippen, als hätte er gerade einen besonders süßen und reifen Wein gekostet. »Nun, das Mädchen ist mir noch etwas schuldig. Zwar ist sie keine Jungfrau mehr, sondern hat ihre Unschuld bereits diesem Bastard Bosgard geschenkt, dennoch werde ich mir mit Vergnügen holen, was mir zusteht. Schließlich war ich der erste Herr auf Penderroc Castle, bevor Bosgard kam und mir alles weggenommen hat.«
Mandric zuckte kaum merklich zusammen. Als er sich mit Ralph Clemency verbündete, hatte er gewusst, auf wen er sich einließ. Dieser Mann war durch und durch brutal und schlecht, aber ihm allein hätte weder der König noch sonst jemand in London Gehör geschenkt, als er Hayla verriet. Mandric war vor Wut rasend gewesen, als er erfuhr, dass Hayla Bosgard heiraten wollte, und er hatte auf Rache gesonnen. Das Schicksal hatte ihn zu den beiden Menschen geführt, die Bosgard ebenfalls Schaden zufügen wollten, und nun war es zu spät, einen Rückzieher zu machen. Er hatte sich einen gerechten Prozess vorgestellt, bei dem Hayla verurteilt würde, denn die Beweise für ihre Abstammung waren erdrückend. Längst hatte Mandric jedoch feststellen müssen, dass Ralph kein Interesse an einer fairen Verhandlung hatte. Er wollte Hayla tot sehen. Mandric hatte sich an Lady Elfgiva gewandt, die ebenso wie Sir Leofric und Sir Alfred über Haylas richtigen Vater Bescheid wussten. Damals hatte er nicht geahnt, dass Lady Elfgiva sich auf die Seite von Ralph stellen würde, und jetzt war es zu spät, etwas zu ändern. Der König weilte in York, einer Stadt hoch im Norden, und bis er von den Geschehnissen hier erfuhr, wäre Hayla längst tot.
»Was ist mit Bosgard de Briscaut?«, fragte Mandric schließlich. »Wird er nicht versuchen, Rache zu nehmen?«
Ralph schnippte lapidar mit den Fingern. »Von diesem feigen Hund haben wir nichts zu befürchten. Er hat Hayla gehen lassen, um seinen eigenen Kopf zu retten. Wahrscheinlich sitzt er immer noch in seiner Burg in Cornwall und verschwendet an das Mädchen keinen Gedanken mehr. So gerne ich sein dummes Gesicht sähe, wenn er erfährt, wer hinter alldem steckt, ich werde in die Normandie zurückkehren. Es könnte nämlich sein, dass der König ein wenig … verärgert über mich ist.« Ralph lachte und blinzelte vertraulich Constance zu. »Ihr, liebe Lady, könnt Euch immer noch überlegen, mich zu begleiten. Ich habe Euch bereits mehrmals gesagt, dass ich den Bastard, den Ihr unter Eurem Herzen tragt, als meinen Sohn anerkennen werde, sofern es ein Junge wird. Ein Mädchen ist sowieso gleichgültig, das werden wir so bald wie möglich gut verheiraten, auch wenn wir für eine Aussteuer sorgen müssen.«
Constance wich Ralphs Blick aus, als sie antwortete: »Wir werden sehen, Ralph. Solange König William fort ist, werde ich keine Entscheidung fällen.«
»Pah, wenn Ihr etwa hofft, der König wird Bosgard dazu zwingen, Euch zur Frau zu nehmen, so ist Euch nicht zu helfen. Ebenso wenig, wie Ihr offenbar keine Angst davor habt, eine ledige Mutter zu sein. Nun, mir soll es gleichgültig sein.« Ralph rieb sich die Hände, dann wandte er sich zur Tür. »Ich glaube, unser Täubchen wird ihr Bad jetzt beendet haben. Wenn Ihr Schreie hören solltet, so kümmert Euch nicht darum. Es werden nur die Schreie ungezügelter Lust sein, die ich Hayla bereiten werde.«
Mit schweren Schritten stampfte er aus der Halle. Constance folgte ihm
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