Geliebter Normanne
gekrönte König Englands war und alle Rechte auf seiner Seite hatte, war sein Angriff auf ihr Land unrecht gewesen. Es war eine Sache, sich mit den neuen Herren, wie Bosgard es für sie war, zu arrangieren, aber sie, ein Mündel des früheren Königs, hatte sich wie eine billige Hure regelrecht in seine Arme geworfen. Am meisten beunruhigte Hayla jedoch die Tatsache, dass sie keinen Augenblick davon bereute, sondern sich danach sehnte, diesen kostbaren Moment erneut erleben zu dürfen. Aber es durfte nicht sein, es konnte nicht sein.
»Ich muss von hier fort«, murmelte sie, und Tränen rollten über ihre Wangen. »Noch heute muss ich gehen …«
Gleichzeitig wusste Hayla jedoch, dass sie Penderroc und damit Bosgard de Briscaut niemals würde verlassen können.
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6. Kapitel
N achdem am Herrenhaus die wichtigsten Um- und Anbauten beendet waren, beschloss Bosgard de Briscaut, die Bauarbeiten an der massiven Steinmauer, die Penderroc wie eine kleine Festung umschloss, voranzutreiben. Aus den einstigen Hütten rund um die Burg war ein richtiges, kleines Dorf entstanden, das längst über die bisherige Umfriedung hinausgewachsen war. Die neue Wehrbefestigung sollte zwanzig Fuß hoch und acht Fuß dick sein und zwei Türme und ein Tor erhalten. Diese langwierigen Arbeiten würden den Männern für die nächsten Monate Lohn und Brot geben.
An einem frühsommerlichen Morgen waren die Arbeiter seit Sonnenaufgang damit beschäftigt, die letzten Reste der Palisade einzureißen, als plötzlich ein Krachen zu hören war, gefolgt von Schreien aus vielen Kehlen. Hayla, die gerade angefangen hatte, in Bosgards Kammer Ordnung zu schaffen, stürzte zum Fenster und sah, wie ein Teil der Stämme in einem wirren Haufen übereinanderlag und offenbar Menschen unter sich begraben hatte. Sie eilte nach draußen und traf gleichzeitig mit Bosgard, der gerade ausreiten wollte, an der Unglücksstelle ein.
»Was ist geschehen?« Seine Stimme hallte laut über den Platz.
»Herr, das morsche Holz ist einfach in sich zusammengebrochen.« Der Knecht, der einst von Ralph misshandelt worden war, trat mit wachsbleichem Gesicht vor. »Knut, einer der Baumeister, ist darunter begraben worden.«
»Worauf wartet ihr noch?« Bosgard blickte in die Runde. »Holt ihn raus, aber schnell! Und seid vorsichtig, dass nicht noch mehr passiert.«
Sofort begannen alle kräftigen Männer, auch Bosgards Ritter legten Hand an, die zersplitterten Baumstämme vorsichtig zur Seite zu räumen. Bosgard selbst half tatkräftig mit, und schon bald lief ihm der Schweiß in Strömen von der Stirn. Endlich war ein Stück des Gewandes vom Baumeister unter einem Holzstück zu erkennen.
»Wir haben ihn gleich!«
Bosgard hob einen Stamm hoch und wollte ihn zur Seite schieben, als er mit dem rechten Arm an einem herausstehenden Nagel hängen blieb. Hayla sah, wie der Nagel ihm die Haut am Handgelenk aufritzte. Bosgard indes verharrte nur kurz in der Bewegung, dann wischte er mit der anderen Hand flüchtig das hervorquellende Blut weg und setzte seine Arbeit fort.
»Wir haben ihn!«, rief der Knecht. »Zieht ihn raus, aber vorsichtig.«
Der Baumeister lag bewusstlos da, die Haut auf seiner Stirn war aufgeschürft und sein linker Arm unnatürlich verdreht. Waline eilte zu dem Verunglückten und kniete sich neben ihn. Geschickt tasteten ihre Hände über seinen Körper, dann sagte sie: »Er lebt und scheint außer dem Armbruch keine sichtbaren Verletzungen zu haben. Bringt ihn ins Haus, ich werde mich um ihn kümmern.«
Zwei Männer hoben Knut hoch, während Hayla stützend seinen gebrochenen Arm hielt. Waline hatte sich immer schon um die Kranken und Verletzten auf Penderroc Castle gekümmert, denn ein Bader verirrte sich nur selten in diese Gegend. Im letzten Jahr hatte Hayla von der alten Magd viel über Krankenpflege gelernt, und so wusste sie, dass sie nicht ausschließen konnte, dass Knut schwerer in Mitleidenschaft gezogen worden war, als auf den ersten Blick erkennbar war. Vielleicht waren innere Organe verletzt worden, als die Stämme auf seinen Körper stürzten. In diesem Fall würde sie wohl nichts für den Baumeister tun können.
Als Hayla an Bosgard vorbeiging, bemerkte sie, dass die kleine Wunde, die er sich an dem vorstehenden Nagel gerissen hatte, immer noch blutete.
»Ihr solltet das auswaschen und verbinden, Herr«, sagte sie. »Kommt am besten gleich mit, ich reinige die Wunde und lege ein paar Kräuter auf.«
Bosgard lachte schallend.
»Deine
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