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Geliebter Normanne

Geliebter Normanne

Titel: Geliebter Normanne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Michéle
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Übel.«
    Nun stahl sich wieder ein Lächeln in Bosgards Augen. Bereitwillig hielt er Hayla seinen Arm hin.
    »Das kann ich verstehen. Nun gut, dann tu, was getan werden muss, damit ich dir als kleineres Übel erhalten bleibe.«
    Hayla zögerte einen Moment.
    »Es wird jedoch schmerzhaft für Euch sein, Herr.«
    »Glaub mir, Mädchen, ich habe schon schlimmere Schmerzen als so einen kleinen Schnitt überstanden.«
    Hayla nahm seinen Dolch und hielt die Klinge einige Zeit in die Flammen des Feuers. Dann bettete sie Bosgards Unterarm auf die Tischplatte, und ehe er es sich versah, fuhr sie mit der Spitze über den verschorften Schnitt, aus dem sofort ein Blut- und Eitergemisch floss. Hayla umwickelte ihre Finger mit einem sauberen Tuch, dann drückte sie von der Ellenbeuge aus in Richtung Handgelenk mehrmals fest auf die Haut, damit weiterer Eiter aus der Wunde fließen konnte. Dies wiederholte sie mehrmals, und tatsächlich wurde der rote Strich etwas heller. Hayla erhitzte die Klinge erneut.
    »Ich muss die Wunde ausbrennen«, murmelte sie und presste die flache Seite der heißen Klinge auf die Wunde. Der Geruch nach verbranntem Fleisch stieg auf, aber Bosgard gab keinen Schmerzenslaut von sich. Lediglich ein paar Schweißperlen traten auf seine Stirn, obwohl es in der Kammer kühl war. »Der Schmerz wird in den nächsten Stunden nachlassen, Herr«, sagte Hayla leise, während sie die Wunde mit klarem Wasser säuberte. Aus dem mitgebrachten Tontopf entnahm sie eine gelbliche Salbe, trug diese vorsichtig auf den Schnitt auf und wickelte einen Streifen Leinen darum.
    »Was ist das?«, fragte Bosgard, als er die kühlende Wirkung der Salbe merkte.
    »Eine Mischung aus Hirtentäschelkraut und Ackerschachtelhalmkraut. Es dient der Schmerzlinderung, der Blutstillung und zur Wundheilung. Zweimal am Tag muss der Verband gewechselt werden, und in einer Woche werdet Ihr von der Verletzung nichts mehr bemerken.«
    Bosgard hatte weder von dem einen noch von dem anderen Kraut jemals etwas gehört, aber die schmerzlindernde Wirkung war bereits zu spüren.
    »Du bist hier also so etwas wie eine Kräuterhexe«, versuchte er zu scherzen, aber Hayla ging auf seinen Spott nicht ein.
    »Herr, ich versuche lediglich, die Krankheiten der Menschen zu lindern, manchmal kann man sie auch heilen. Dafür verwende ich das, was die Natur hervorbringt – so wie seit Anbeginn der Menschheit. Das hat nichts mit Hexerei zu tun. Euch wird nicht entgangen sein, wie abgelegen wir hier leben. Vielleicht gelingt es Euch, einen Bader oder gar einen Wundarzt zu finden, der sich in Penderroc niederlassen möchte. Ich verstehe, dass Ihr einem Mann mehr Vertrauen schenkt.«
    Bosgard merkte, dass er sie verletzt hatte, und versicherte schnell: »Ich wollte dich nicht beleidigen, Mädchen, sondern dir eher … danken. Auch in meiner Heimat ist es üblich, dass sich die Frauen um die Kranken und Verletzten kümmern. Ich war nur erstaunt, denn ich hätte dir solche Kenntnisse nicht zugetraut.«
    Statt einer Antwort zuckte Hayla mit den Schultern. Sie reinigte die Klinge des Dolchs, rieb sie mit einem Tuch trocken, und in dem Augenblick, als sie die Waffe Bosgard hinstreckte, flog mit einem Knall die Tür auf.
    »Bosgard, du musst sofort … Ah!« Wie irrsinnig stürzte Ralph sich auf Hayla, umklammerte ihr Handgelenk, so dass der Dolch in hohem Bogen durch die Kammer flog, und drehte ihr grob beide Arme auf den Rücken. Hayla schrie vor Schmerz auf. »Hab ich dich, du Miststück! Da kam ich ja gerade noch rechtzeitig!«
    Bosgard fuhr vom Stuhl hoch.
    »Bist du verrückt, Ralph? Lass das Mädchen sofort los!«
    Ralph sah ihn erstaunt an, aber der Griff, mit dem er Hayla umklammert hielt, lockerte sich nicht.
    »Aber sie hat gerade versucht, dich zu töten. Ich habe selbst gesehen, wie sie das Messer auf deine Brust richtete …«
    »Du redest Unsinn, Ralph. Hayla hat lediglich meine Wunde versorgt und verbunden.« Er hielt seinen rechten Arm hoch. »Hier, sieh selbst. Außerdem würde es einem schmächtigen Mädchen wohl kaum gelingen, mich mit einem Dolch zu meucheln. Also, gib sie jetzt frei.«
    Ungläubig sah Ralph von Bosgard zu Hayla, dann stieß er sie so heftig von sich, dass Hayla taumelte und beinahe zu Boden stürzte.
    »Ich wusste nicht, dass du wehleidig wie ein altes Weib bist, Bosgard«, bemerkte er spöttisch. »Wegen so einem kleinen Kratzer so einen großen Verband …«
    »Spar dir deine Worte, Ralph.« Bosgards Miene verfinsterte sich.

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