Geliebter Normanne
Vorteile brachte. Als wäre sie bereits die Herrin, schickte sie kurz nach Tagesanbruch Luchia nach unten und befahl, eine Magd solle ihr sofort heißes Wasser bringen, denn sie wünsche zu baden. Waline kam der Aufforderung, die Hayla für sie übersetzt hatte, schweigend nach und hängte einen großen Kessel über das Feuer. Hayla, deren Augen nach einer schlaflosen Nacht gerötet waren, schleppte mit einem Knecht zusammen die große Badewanne aus Zinn in Lady Constances Gemach.
»Das Wasser wird bald warm sein, Mylady«, sagte sie mit gesenktem Kopf. »Haben Mylady noch weitere Wünsche?«
Constance Aubrey, lediglich mit einem leichten, duftigen Morgenmantel bekleidet, das lange Haar offen, musterte Hayla lange und ausgiebig. Das war sie also – die Frau, die Bosgard den Kopf verdreht hatte und deretwegen er sie verschmähte. Ralph Clemency hatte die junge Magd gut beschrieben, keine zweite Frau in der Burg besaß eine solch außergewöhnliche Augenfarbe wie dieses Mädchen. Dennoch – mehr als eine Bettgespielin würde diese Magd für Bosgard niemals sein. Soll er doch seine Bedürfnisse an ihrem Körper stillen, Hauptsache, Bosgard würde ihr rechtmäßiger Ehemann.
Hayla wartete, während ihr Herz ungeduldig klopfte. Sie ließ die Musterung über sich ergehen und hielt den Blick weiter gesenkt, obwohl sie der hochnäsigen Dame gerne herausfordernd entgegengetreten wäre. Lady Constance würde jedoch in Bälde die Herrin von Penderroc sein, und noch hatte Hayla von Bosgard nicht die Erlaubnis, sein Haus zu verlassen. Einen solchen Ausbruch wie gestern Abend im Stall durfte sie sich niemals mehr erlauben. Ob Bosgard seiner Verlobten wohl gesagt hatte, dass sie, Hayla, keineswegs von Geburt an Magd war? Selbst wenn, für sie änderte sich nichts. Sie war Angelsächsin, und gleichgültig unter welchem Dach man geboren war – die Normannen ganz allein bestimmten, welchen Status man im Leben künftig einnahm.
»Hast du Sir Bosgard heute Morgen bereits gesehen?«
Lady Constances Frage riss Hayla aus ihren Gedanken.
»Nein, Mylady, aber es ist ja noch früh, er wird wohl noch schlafen …«
»Ich habe dich nicht um deine Meinung gebeten.« Scharf schnitt Constances Stimme Haylas Worte ab. »Wenn du ihn siehst, sag ihm, dass ich mit ihm sprechen möchte. Er soll unverzüglich zu mir kommen.«
»Auch wenn Ihr im Bad sitzt?« Die Worte entschlüpften Hayla blitzschnell, und prompt kniff Constance zornig die Augen zusammen.
»Scher dich fort, du unverschämtes Ding, und tu, was ich dir sage. Offenbar hat mein zukünftiger Mann seine Dienstboten mit sehr lockerer Hand geführt. Nun, das wird sich bald ändern. Ihr alle werdet schon lernen, was Respekt heißt.«
Hayla floh regelrecht aus der Kammer. So eine dumme Gans, dachte sie, sagte sich dann aber, dass bestimmt alle normannischen Frauen sich so aufführten. Als Frauen der Herrscher spielten sie ebenso wie die Männer ihre Macht aus. Hayla hatte gerade die Halle erreicht, als draußen ein Tumult und aufgeregte Stimmen durcheinanderschrien. Sie lief mit den anderen in den Hof, und bei dem Anblick, der sich ihr bot, schien ihr Herz ein paar Schläge auszusetzen. Ein Knecht führte Bosgards Hengst am Zügel, und quer über dem Rücken des Tieres lag der leblose Körper Bosgards. Aus einer klaffenden Kopfwunde tropfte Blut, und seine Gesichtsfarbe war grau.
»Ist er tot?« Hayla merkte nicht, dass sie die Worte gerufen hatte. Bosgard wurde vom Pferderücken gehoben und auf den Boden gelegt. Mit drei, vier Schritten war Hayla an seiner Seite und kniete sich nieder, ohne Rücksicht darauf, dass der vom Regen aufgeweichte Boden ihr Kleid beschmutzte. Ihre Finger zitterten so sehr, dass sie mehrmals tasten musste, bevor sie seinen Herzschlag fühlen konnte. Endlich spürte sie ein schwaches Pochen unter ihren Händen, nicht stark, eher so wie der Schlag eines Schmetterlingsflügels, aber er lebte. »Wir brauchen ein großes Brett!«, rief Hayla in die Runde, ohne jemand Bestimmtes anzusehen. »Er muss sofort in seine Kammer.«
Während sie wartete, dass Männer ein Brett brachten, auf welchem sie Bosgard ins Haus tragen konnten, schossen ihr tausend Gedanken durch den Kopf. Was war geschehen? Warum war er derart verletzt, dass er bewusstlos war? Und hatte er außer der Wunde am Hinterkopf noch weitere Verletzungen? Aber auch ein anderer Gedanke schlich sich in Haylas Kopf. Gestern Abend hatte sie ihm gesagt, sie hasse ihn, und hatte den Tag, an dem sie sich
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