Geliebter Normanne
dieses Ablenkungsmanöver wird es uns gelingen, Lady Hayla unbemerkt aus der Burg zu bringen. Sie wird sich als alte Frau verkleiden und mit euch gehen. Ich werde de Mantes so lange hinhalten, bis ihr außer Gefahr seid.«
»Ihr wollt Euch doch nicht etwa ausliefern?«
Ein Aufschrei ging durch die Menge, und Hayla, die in der Nähe von Bosgard stand, sprang zu ihm und klammerte sich an seinen Ärmel. »Das werde ich niemals zulassen! De Mantes will mich haben, und du vergisst Ralph Clemency. Er wird dich auf der Stelle töten!«
Voller Liebe und Zärtlichkeit blickte Bosgard in Haylas angstgeweitete Augen. »Es ist die einzige Möglichkeit, die wir haben. Ich werde zu de Mantes gehen und ihm anbieten, dich ihm auszuliefern, wenn er meine Leute unbehelligt abziehen lässt. Es ist nur eine kleine Chance, dass es dir gelingt, dich unbemerkt mit dem Pulk fortzuschleichen, aber die einzige, die wir haben.«
»Lady Hayla hat recht, Sir.« Henri trat vor und sah Bosgard entschlossen an. »Wenn de Mantes merkt, dass die Dame verschwunden ist, wird er seine Wut an Euch auslassen. Euer Tod ist damit so gut wie beschlossen. Ihr seid sehr tapfer und mutig, Sir, wenn Ihr Euch für uns opfern wollt, aber, bei allem Respekt, das werden wir nicht zulassen.« Mit einem Satz sprang Henri auf das Podium und sah in die Runde. »Es tut mir leid, dass ich versucht habe, Bruder Pierre den Esel zu nehmen, und ich schäme mich dafür. Auch wenn wir Hunger und Durst leiden müssen, wir müssen zu unserem Herrn stehen. Zumindest was mich betrifft, so schwöre ich, bis zum bitteren Ende an seiner Seite auszuharren.«
Seine Rede hatte die Menschen beeindruckt, und einige klatschten Beifall.
»Wir stehen das gemeinsam durch.«
»Der Herr wird sich nicht für uns opfern.«
»Vielleicht sollten wir einen Ausfall wagen und die Belagerer angreifen, solange wir noch kräftig genug sind. Dann sterben wir wenigstens in einem ehrenvollen Kampf und nehmen ein paar von den Halunken mit.«
Nur Hayla, die dicht neben Bosgard stand, bemerkte, wie ergriffen er von der Reaktion seiner Leute war. Beruhigend drückte sie seine Hand. Bosgard winkte den letzten Sprecher zu sich. »Wie ist dein Name, Mann?«
Er beugte das Knie vor Bosgard. »David, Sir, ich bin Zimmermann. Zwar kann ich weder mit dem Schwert noch mit Pfeil und Bogen umgehen, aber meine Hand kann einen schweren Hammer führen. Es wäre eine Freude, die Schädel Eurer Feinde einzuschlagen.«
Grübelnd zog Bosgard die Unterlippe zwischen die Zähne. Der Vorschlag des Zimmermanns war vielleicht gar nicht so schlecht. Er blickte zu Hayla und fragte: »Wie lange noch?«
Hayla wusste, was Bosgard meinte, und antwortete ruhig: »Drei, höchstens vier Tage. Wenn es dann nicht regnet, werden wir kein Trinkwasser mehr haben, und heute Morgen haben wir das letzte Fass Bier geöffnet.«
Bosgard hob die Hand, und schlagartig erstarb das Stimmengemurmel. »Ich danke euch für eure Treue, ihr guten Leute. Der Vorschlag von dem Zimmermann David scheint mir sinnvoll und durchführbar zu sein. Darum bitte ich euch – schärft eure Schwerter, spitzt eure Pfeile und sucht in der Burg alles zusammen, was man zum Kämpfen verwenden kann. Yven de Mantes rechnet ganz bestimmt nicht mit einem Angriff, darum werden wir morgen früh bei Sonnenaufgang den Ausfall wagen.« Zu Hayla gewandt, fuhr er fort: »Bitte, lass alles, was an Essen und Trinken noch vorrätig ist, auftragen. Die Leute sollen sich heute noch einmal stärken, um morgen Kraft zu haben.« Für die meisten wird es die letzte Mahlzeit ihres Lebens sein, fügte er in Gedanken hinzu, aber Hayla hatte die Worte bereits in seinen Augen gelesen.
Sie beugte sich zu Bosgard und flüsterte: »Der Plan ist Wahnsinn, und das weißt du. Die Belagerer sind in der Überzahl, und sie werden deine Männer töten …«
»Den anderen kann jedoch während des Kampfes die Flucht in die Wälder gelingen«, unterbrach Bosgard und sah Hayla ernst an. »Meine Männer sind Kämpfer, sie sterben lieber in einer Schlacht, als langsam, aber sicher zu verhungern oder zu verdursten. Ich weiß, dass wir nur eine kleine Chance haben werden, wenn es uns jedoch gelingt, dich und die Frauen und Kinder von Penderroc in Sicherheit zu bringen, dann müssen wir diese nutzen.«
»Aber …«
»Nein, sag nichts mehr.« Bosgard zog Hayla an seine Brust und murmelte: »Wir müssen beten und auf Gott vertrauen. Er und das Glück werden auf unserer Seite sein.«
Hayla spürte, jedes
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