Geliebter Normanne
weitere Wort war sinnlos. Bosgard hatte sich zum Kampf entschlossen, und niemand – auch nicht sie – würde ihn davon abhalten können.
Plötzlich wusste sie, was sie zu tun hatte.
Waline war bei Bewusstsein, als Hayla ihre Kammer betrat und der Magd von dem geplanten Ausfall berichtete.
»Wir beide wissen, Mädchen, dass Sir Bosgard keine Chance gegen die Übermacht hat.« Ihre Stimme war leise, und die Worte wurden von einem heftigen Hustenanfall unterbrochen. Hayla stützte Walines mageren, von Krämpfen geschüttelten Oberkörper und spürte jeden ihrer Knochen durch das dünne Kleid.
»Bosgard ist ein Kämpfer, die Untätigkeit der letzten Tage hat ihn beinahe verrückt gemacht«, sagte Hayla, als Waline wieder zu Atem gekommen war und in die Kissen zurücksank. »Nur so ist sein irrwitziger Plan, sich selbst auszuliefern, zu erklären. De Mantes wäre niemals darauf reingefallen, denn er will mich in seine Gewalt bringen. Ich bin es, die der König will, nicht Bosgard.«
»Vergiss Ralph Clemency nicht«, mahnte Waline. »Der Unhold wird nichts unversucht lassen, Sir Bosgard zu töten.«
Verzweifelt schlug Hayla die Hände vors Gesicht. Selbst wenn ihr Plan, den sie soeben gefasst hatte, gelang, gab es keine Garantie, dass Bosgards Leben nicht in Gefahr war, solange Ralph Clemency dort draußen wartete. Auch Constance Aubrey hatte mit Bosgard noch eine Rechnung offen, und wo Mandric war und was dieser plante, wagte Hayla sich erst gar nicht vorzustellen. Seit Tagen fragte sie sich, welche Beweise Mandric dafür besaß, dass sie tatsächlich Königs Harolds uneheliche Tochter war. Gab es in dem Land wirklich Bestrebungen, König William abzusetzen und sie an seiner Stelle auf den Thron zu bringen? Diese Vorstellung war so absurd, dass Hayla darüber am liebsten gelacht hätte, wäre die Situation nicht so lebensgefährlich ernst gewesen.
Hayla reichte Waline einen Becher, der zu einem Viertel mit Bier gefüllt war.
»Bitte trink, es ist die Ration, die dir zusteht«, forderte sie die Magd auf, als Waline den Becher zur Seite schieben wollte. »Ich habe einige beruhigende Kräuter untergemischt. Sie werden dir helfen, besser zu schlafen, damit du dich erholen kannst.«
»Bald werde ich für immer schlafen, mein Kind.« Waline sprach die Worte ohne Wehmut. »Ich bin alt und habe mein Leben gelebt. Bevor ich in die Hände der Belagerer falle, ist es besser, ich gehe von selbst. Trink du das Bier, du solltest diese Nacht gut schlafen, damit du morgen für den Kampf ausgeruht bist.«
Seufzend stellte Hayla den Becher zur Seite. Sie nahm eine Decke und legte sie über Waline, die vor Kälte zitterte, obwohl es in der Kammer drückend warm war. Hayla küsste die alte Magd, die seit Jahren wie eine Mutter zu ihr gewesen war, auf die Stirn, bevor sie die Kammer verließ.
An der Tür drehte Hayla sich noch einmal um und warf einen letzten Blick auf Waline.
»Leb wohl, Waline«, flüsterte sie. »Ich werde dich niemals vergessen.«
Hayla wagte nicht, Bosgard den morgigen Angriff auszureden, denn er war zu dem Ausfall wild entschlossen. Die letzten Nächte hatte sie in seinem Gemach verbracht, wobei er die Tür immer gut verschloss und den Schlüssel innen an seinem Hosenbund trug. An diesem Abend glänzten Bosgards Augen vor gespannter Erwartung auf den nächsten Morgen.
»Wir können es schaffen, Hayla«, rief er, kaum dass sie den Raum betreten hatte. »Meine Männer sind zwar geschwächt, aber ausgezeichnete Kämpfer. Unser Verbündeter ist die Überraschung. De Mantes rechnet niemals damit, dass wir einen Ausfall wagen. Vom Söller aus habe ich in den letzten Nächten beobachtet, dass er nur wenige Wachen aufgestellt hat. Wir werden sie überfallen, wenn sie noch schlafen, und in einem ehrenvollen Kampf von meinem Grund und Boden vertreiben, und morgen Abend wird dieser furchtbare Alptraum endlich vorüber sein.«
Bosgard versuchte, überzeugend zu klingen, Hayla hörte jedoch den Unterton des Zweifels in seinen Worten. Sie konnte seine Zuversicht nicht teilen, aber sie ließ sich dies nicht anmerken. Selbst wenn es Bosgard gelänge, alle Belagerer zu töten – der König würde erneut Männer nach Cornwall schicken, denn er wollte Hayla in seiner Gewalt haben. So würde es immer weitergehen, und es würde immer mehr Blut vergossen werden. Das konnte und durfte sie nicht zulassen. Sie schmiegte sich an Bosgards Brust, streichelte seinen Nacken und strich mit einem Finger über die Linie
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