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Geliebter Normanne

Geliebter Normanne

Titel: Geliebter Normanne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Michéle
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Trank bereiten.«
    Waline hob schwach die Hand. »Lass es gut sein, mein Kind, du wirst die Kräuter für die anderen brauchen. Ich habe ein erfülltes Leben gehabt und bin nicht traurig, gehen zu müssen.«
    »So darfst du nicht sprechen!« Mit einem Aufschrei sank Hayla an Walines Seite. »Ich werde mich Yven de Mantes stellen. Bosgard darf mich nicht länger daran hindern, denn ich kann und werde nicht mit ansehen, wie ihr alle leidet.«
    Ein flüchtiges Lächeln erhellte Walines Gesicht. »Er liebt dich wirklich sehr. Ich gebe zu, ich habe mich in Bosgard geirrt. Auch wenn er ein Normanne ist, steckt ein guter Kern in ihm. Werde glücklich mit ihm, mein Kind.«
    Als Waline plötzlich verstummte und die Augen schloss, tastete Hayla rasch nach ihrer Brust, denn der Atem der alten Frau schien für einen Moment auszusetzen. Zu ihrer Erleichterung jedoch hob und senkte sich Walines Brustkorb in unregelmäßigen Abständen. Doch die alte Magd war völlig erschöpft, lange würde sie die Entbehrungen nicht mehr aushalten können.
    Am Abend kniete Hayla ins Gebet versunken in der kleinen Kapelle. Seit Beginn der Belagerung las Bruder Pierre fünf Mal am Tag die Messe und erflehte Gottes Hilfe. Obwohl Hayla eine der wenigen war, die die lateinischen Worte des Mönches verstand, rauschte die Litanei wie ein Wasserfall an ihren Ohren vorüber. Sie war eine gute und gläubige Christin, bezweifelte jedoch, dass Gott mit ein paar Gebeten zu bewegen war, Regen zu schicken oder gar die Belagerer zu veranlassen abzuziehen. Bei solchen Gedanken bekreuzigte sich Hayla hastig, konnte sie aber nicht aus ihrem Kopf verbannen. Sie konzentrierte sich wieder auf die Messe und sprach umso inbrünstiger das nächste Gebet mit. Plötzlich entstand ein Tumult auf dem Burghof, und lautes Geschrei ließ Bruder Pierre das Gebet beenden. Einen Augenblick später wurde die Kapellentür aufgestoßen, und Eric stürmte mit hochrotem Kopf herein. »Bruder Pierre, Ihr müsst sofort kommen …«
    »Wie kannst du es wagen, die heilige Zeremonie zu stören!« Der Mönch sah den Jungen derart empört an, dass Hayla überrascht die Augenbrauen hochzog. Nur selten erhob Bruder Pierre seine Stimme, aber auch seine Nerven waren bis zum Zerreißen gespannt, und damit erklärte sich Hayla sein barsches Verhalten. »Wenn du schon an der Messe nicht teilnimmst, dann kann ich verlangen, dass du das Bedürfnis der Menschen, die Hilfe im Gebet suchen, respektierst und nicht wie …«
    »Ach, haltet den Mund und hört zu!«
    Hayla schnappte überrascht nach Luft. Was war in Eric gefahren, dass er einem heiligen Mann gegenüber einen derart respektlosen Ton anschlug? Sie sollte es gleich erfahren, denn bei Erics nächsten Worten erbleichte Bruder Pierre. »Ich dachte, es interessiert Euch, dass sie Euren Esel schlachten und essen wollen. Die Männer sind bereits im Stall.«
    Bruder Pierre fiel das kostbare Gebetbuch aus den Händen, und er rannte, als wäre der Teufel höchstpersönlich hinter ihm her, aus der Kapelle. Hayla und die anderen beeilten sich, dem Mönch zu folgen. Zu Eric gewandt, rief Hayla: »Wo ist Bosgard? Geh und hol sofort den Herrn!«
    Eric nickte und rannte davon. Vor dem Stall hatte sich etwa ein Dutzend von Bosgards Männern versammelt, die meisten hielten Messer in den Händen. Zwei Männer – ein Zimmermann und einer der Maurer – standen mit ausgebreiteten Armen an der Stalltür. In ihren Augen lag der Ausdruck von Angst, aber auch von Wut und Zorn.
    »Gebt die Tür frei, oder wir verschaffen uns mit Gewalt Einlass«, rief Ritter Henri, bisher ein eher stiller und zurückhaltender Mann, der Hayla kaum aufgefallen war. Jetzt jedoch trat er einen Schritt vor und bedrohte mit gezücktem Messer die beiden Männer, die die Stalltür verteidigten. Bruder Pierre fiel ihm in den Arm.
    »Was ist hier los? Was wollt ihr mit Jesaja machen?«
    Der große und kräftige Ritter schob den kleineren Mönch mit einer Handbewegung zur Seite.
    »In diesem Stall gibt es Fleisch, und wir haben Hunger. Dass wir die Ziegen nicht schlachten dürfen, weil sie uns Milch geben, sehen wir ein, auch die Pferde können wir nicht antasten, aber dieser Esel steht nur dumm herum und ist völlig nutzlos. Es wird ein feiner Braten werden. Vielleicht etwas zäh, aber das soll uns nicht kümmern …«
    Die Augen des Normannen glänzten bei dem Gedanken an ein fettes Stück Fleisch, und seine Kumpane nickten ihm zustimmend zu.
    Entschlossen trat Hayla vor die Männer.

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