Geliebter Rebell
danach mehrere Umbauten vornehmen. Der ursprüngliche Besitzer meines Hauses ist auf dem Schlachtfeld gefallen.«
»Wie tragisch…«
»Ja, ein Krieg beschwört viele Tragödien herauf. Das kann dein Mann bestätigen.«
»Brent?« Onkel Hick nickte, und seine trüben Augen richteten sich auf den Urgrossneffen, der am anderen Ende des Saales ein Glas mit Champagner füllte. Sie lächelte flüchtig.
Sylvia belegte ihn mit Beschlag. Aber besser Sylvia als eines seiner hübschen Exmodelle, die er teilweise eingeladen hatte.
Waren sie aus Neugier gekommen? Sofort bereute Gayle diesen Gedanken. Sie hatte die Mädchen kennengelernt und fand sie sehr nett. Alle schienen freundschaftliche Gefühle für den Künstler zu hegen und sich über sein Eheglück zu freuen.
»Brent war sechs Monate in Vietnam«, erklärte Onkel Hick, »und er könnte dir eine Menge über den Krieg erzählen. Angeblich wird’s damit immer schlimmer. Ich selbst kann mich noch gut an meine Kindheit erinnern. Der Krieg zwischen den Nord- und den Südstaaten war erst ein oder zwei Jahrzehnte vorher zu Ende gegangen. Dann kam der Erste Weltkrieg, der all die kleinen Kriege in den Schatten stellte, dann der Zweite… Glaubst du, die Menschheit wird jemals was lernen?«
»Das sollte man doch annehmen.« Gayle fühlte sich ein wenig unbehaglich. Sie hatte nichts von Brents Dienst in Vietnam gewusst. Doch das war nicht’so wichtig. Wahrscheinlich gab es noch vieles, was sie nicht wusste…
O nein, verbesserte sie sich, der Vietnamkrieg war wichtig, und ich hätte davon erfahren müssen.
»Jetzt spielt es keine Rolle mehr.« Onkel Hick tätschelte ihr Knie, und sie starrte ihn verwirrt an. Offenbar hatte er ihre Gedanken gelesen. »Nun zählt nur noch, dass du eine nette junge Frau bist und dass ihr beide euch sehr liebt. Alles andere kommt erst danach. Das glaubst du doch? Glaub an die Liebe und an sonst nichts, dann mag geschehen, was will. Wirst du immer daran denken?«
Sie nickte und küßte ihn impulsiv. »Wirst du uns besuchen?«
»Mit Vergnügen. Viel werde ich allerdings nicht bei euch essen. Diese Zähne sehen zwar grossartig aus, aber ich will verdammt sein, wenn ich irgend was damit kauen kann. Meine Haare sind mir geblieben, aber meine Zähne habe ich längst verloren. Nun ja, wenn du mir eine Hühnersuppe kochst, komme ich gern zum Dinner.«
»Abgemacht.«
»Und du musst Brent auch mal auf die Farm lotsen, hörst du?«
»Du hast eine Farm?«
»Allerdings. Heutzutage ist sie nicht mehr besonders gross. Ich besitze ein paar Pferde und baue ein bißchen Gemüse an, das ist alles. Aber ich hab’s sehr schön da draußen. Sicher wird’s dir gefallen.«
»Davon bin ich überzeugt.« Sie drückte seine Hand und erklärte, nun müsse sie sich wiederum die anderen Gäste kümmern.
»Natürlich, geh nur.«
Kaum hatte sie den alten Mann verlassen, als Brent sie auch schon bei der Hand nahm und zur Tanzfläche zog. Das Orchester hatte eben erst zu spielen begonnen, und sie waren allein.
Lächelnd schaute er in Gayles Augen.
»Eine alte Tradition. Eigentlich gehört der erste Tanz einer Braut ihrem Dad, aber da er nicht hier ist…«
»Er wäre so glücklich, Brent.«
»Glaubst du das?«
»Ich weiß es.«
Er wirbelte sie umher. »Wir tanzen gut, was?«
»Zweifellos.« Bis jetzt hatte sie noch keinen Tropfen getrunken, aber sie konnte nicht anders – sie musste lachen, als wäre sie beschwipst. Welch ein schönes Fest… Die Lichter der kristallenen Lüster fielen wie Sonnenstrahlen herab, sie fühlte sich fast schwindlig, und ihre Füße schienen den Boden kaum zu berühren. Vage hörte sie Stimmengemurmel und ahnte, was die Leute sagten. Was für ein schönes Paar – was für eine wundervolle Liebe…
»Das kann nicht von Dauer sein«, seufzte Tina. Sie sass mit Liz, Chad, Geoff, Gary McCauley und dessen Freundin Trish am Kopfende der langen Tafel.
Liz nippte an ihrem Champagner und schüttelte vorwurfsvoll den Kopf. »Wovon um Himmels willen redest du? Die beiden passen grossartig zusammen, und ich bin ganz grün vor Neid.« Wehmütig stützte sie das Kinn in die Hände. »Weißt du, woran sie mich erinnern? An das Ende von ›Dornröschen‹ – wo das Mädchen und der Königssohn Hochzeit feiern und miteinander tanzen – ›und wenn sie nicht gestorben sind, so leben sie noch heute…‹«
Als Geoff lachte, errötete Liz ein wenig.
»Ja, ein richtiges Traumpaar«, gab Tina zu. »Aber es ist so schnell gegangen. Sie
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