Geliebter Rebell
Angriffslust der Jugend, aber auch die Stärke eines reifen Mannes. Faszination und Furcht kämpften in ihrem Innern.
»Warum bist du gekommen, Katrina?« Seine Stimme klang rauh und kompromißlos. Heute abend war er, nicht der Percy, der so beredsam von Liebe gesprochen hatte.
»Ich wollte dich sehen.«
»Warum?«
Sie starrte ihn an, dann eilte sie zum Zaun und blickte ins Dunkel des Korrals. »In deiner Seele ist doch sicher noch ein bißchen Raum für Mitleid und Barmherzigkeit.«
»Du solltest nicht mehr mit mir kokettieren, Katrina«, erwiderte er und folgte ihr. »Ich gehöre nicht zu den Lakaien deines Bruders, die in ihren eleganten roten Röcken herumlaufen. Dieses Spiel haben wir viel zu lange getrieben. Du weißt, dass ich dich liebe und begehre. Also sag mir ganz einfach, warum du hier bist.«
Er packte ihre Schultern, drehte sie langsam zu sich herum.
Seine Kinnmuskeln zuckten, als er sich daran erinnerte, wer sie war – die Schwester von Henry Seymour, eine wohlerzogene junge Dame, behütet in einem vornehmen Haus aufgewachsen. Er hatte sich ihr zu schnell genähert. Ihre Koketterie ertrug er nicht, aber er würde sanft mit ihr umgehen, an die Unschuld in ihren Augen denken, an das blonde Engelshaar, sein Verlangen bezähmen, das die zarte Mädchengestalt in ihm weckte. Doch er musste ihr die Wahrheit entlocken, sofort. Er senkte die Stimme, aber sie klang immer noch gebieterisch.
»Warum, Katrina?«
»Weil es mir leid tut«, wisperte sie.
Forschend betrachtete er sie und strich behutsam mit einem Daumen über ihre Wange. Ihre Haut fühlte sich wie Seide an.
Wie blutjung und schön sie war…
Er blickte zur dunklen Straße, dann über den Korral hinweg zum Stalltor, nach allen Seiten. Nichts war zu sehen außer der nächtlichen Finsternis, der Umrisse von Pferden und Bäumen, der hügeligen Landschaft in der Ferne. »Komm!« Er zog Katrina wieder die Kapuze über den Kopf und legte einen Arm um ihre Schultern. Rasch führte er sie über die Lichtung zum Stall.
Drinnen verriegelte er das Tor und tastete im Dunkel nach der Laterne, zündete sie an und stellte sie auf eine Holzleiste neben dem Eingang. Er schlenderte davon. In der Mitte des Stalles blieb er stehen, zog sein Jackett aus, das er ordentlich zusammenfaltete und über die Trennwand einer Box hängte.
Dann wandte er sich zu Katrina. Sie stand immer noch beim Tor. »Gibst du mir deinen Umhang, Lady?« fragte er mit einer leichten Verbeugung.
Nervös schüttelte sie den Kopf und rührte sich nicht von der Stelle. Er kam nicht zu ihr. An diesem Abend war er anders, benahm sich herausfordernd, aber trotzdem irgendwie sanftmütig. Vor Energie schien er zu vibrieren. Eine seltsame Spannung lag in der Luft, und sie sagte sich ungläubig, dass sie tatsächlich zu ihm gekommen war, ganz allein.
Was er von ihr wollte, wusste sie. Früher war sie so hochmütig gewesen, und nun zweifelte sie an ihrer Fähigkeit, ihm zu widerstehen. Seine Küsse wirkten wie Drogen, die ihr alle Kraft nahmen, seine Liebkosungen entfachten Flammen in ihrem Innern.
Aber nun faßte er sie nicht an. Vielleicht ahnte er den Verrat.
Wenn ja, musste sie ihn fürchten.
Er ging in eine Ecke, setzte sich auf einen Heuhaufen und streckte die langen Beine aus. Grinsend ergriff er einen Strohhalm und begann daran zu kauen. »Hier läßt der Komfort zu wünschen übrig, das muss ich zugeben. Aber nimm bitte Platz.«
Das Lächeln, das trotz aller nervöser Scheu ihre Lippen umspielte, entzückte ihn. Zögernd kam sie näher, löste den Verschluß ihres Umhangs, und er glitt anmutig hinab. Sie hängte ihn zu Percys Jackett über die Trennwand der Boxen.
Sie ist wunderschön, dachte er. Keine Bänder oder Spangen bändigten ihr Haar, offen fiel es herab, in goldenen Wellen.
Unwillkürlich stellte er sich vor, es würde über seine nackte Haut gleiten… Sei kein Narr, ermahnte er sich. Welch ein Unsinn! Wenn er zu Henry Seymour ginge und ihn um Katrinas Hand bäte – seine Lordschaft würde einen Schlaganfall erleiden.
Er klopfte auf das Heu neben sich. »Setz dich. Ich bin kein Wolf, also werde ich dich nicht beißen.«
»Oh, ich glaube, ich wurde schon gebissen.« Leise lachte sie, und er fragte sich flüchtig, was sie dachte. An ihrer Unschuld zweifelte er nicht, aber vielleicht wurden alle Frauen mit dem Talent geboren, die Männer zu verführen. Oder nur ein paar…
Sie umfaßte einen Pfosten und drehte sich im Kreis. »Es ist gefährlich in deiner
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