Geliebter Rebell
kennen sich kaum.«
»Sicher werden sie sich sehr gut kennenlernen«; entgegnete Geoff. »Und du, Liz, bist entweder eine unverbesserliche Romantikerin oder völlig verrückt. Komm, tanzen wir.«
Das Parkett füllte sich mit Leuten. Jonathan McCauley entführte seinem Sohn die Braut, und Brent tanzte mit seiner Mutter. Das Orchester hatte mit Walzern begonnen, ging dann zu. Tango und Foxtrott über, und schließlich erklangen Beatles-Rhythmen. In den Tanzpausen aßen Brent und Gayle Roastbeef mit Spargelspitzen und wildem Reis, tranken Champagner, unterhielten sich fröhlich mit ihren Freunden.
Plötzlich zog Brent seine junge Frau dramatisch auf die Beine und starrte in ihre Augen. »Was ist los?« wisperte sie.
»Dein Strumpfband.« Er zuckte die Achseln und grinste schief. »Am besten erledigen wir das jetzt gleich.«
Sie lachte immer noch, als er sie auf einen Stuhl in der Mitte des Saales drückte. Ein Trommelwirbel ertönte, und alle Blicke richteten sich auf das Brautpaar. Mehrere Männer riefen ihnen anzügliche Scherzworte zu. Brent verneigte sich und kniete nieder. Während sie seinen gesenkten Kopf betrachtete, schien sich der Ballsaal zu drehen. Nein, protestierte sie stumm, nicht schon wieder… Sie umklammerte die Stuhlkante, und hinter ihrem Lächeln biß sie die Zähne zusammen, so fest wie möglich.
Irgend etwas stimmte nicht. Sie hätte schwören können, dass sie dies schon einmal getan hatten. Und da war sie sehr verängstigt gewesen. Genauso hatte Brent sie berührt. Aber kein Gelächter war erklungen, kein Trommelwirbel. Sie hatte gespürt, wie seine Finger an ihrem Bein hinauf geglitten waren, sein glutvolles Flüstern gehört…
Schwarze Nebel begannen sie wieder einzuhüllen. Verzweifelt schloß sie die Augen und betete. Lieber Gott, bitte, laß mich nicht wieder die Besinnung verlieren. Das ist mein Hochzeitstag. Bitte…
»Gayle?«
Sie, hob die Lider und schluckte. Die Leute lachten. Offenbar hatte Geoff das Strumpfband mühelos für sich gewonnen. Es war über sein Champagnerglas gefallen. Brent hielt Gayles Hände. »Bist du okay?«
»O ja.« Diesmal hatte es niemand anderer bemerkt. Er hatte ihren Namen ausgesprochen und sie in die Gegenwart zurückgeholt. Aber er wusste es. Er hatte ihre blassen Wangen gesehen.
Was weiß er, fragte sie sich bestürzt. Das war ihre Hochzeit, der glücklichste Tag in ihrem Leben.
Entschlossen sprang sie auf, zog ihn mit sich und versuchte unbefangen zu lächeln. »Ich muss meinen Brautstrauß in die Menge werfen.«
Tina fing die Blumen auf, natürlich, das hatte Gayle auch so geplant, obwohl sie sich nicht besonders gut darauf verstand, etwas über die Schulter zu werfen. Danach war das unheimliche Gefühl, dies alles schon einmal erlebt zu haben, verflogen. Unbeschwert lachte sie, während sie mit Brent, Tina und Geoff für ein Foto posierte.
Endlich war es an der Zeit zu gehen. Unter Tränen küßte sie Brents Familie, Tina, Liz und Geoff. Aber bald lachte sie wieder, denn Brent hatte als Reisekleidüng verwaschene Jeans und ein wildes Maui-T-Shirt gewählt. Nun sah er völlig anders aus. In einem Reisregen rannten sie zum Auto hinaus, das sie zum Flugplatz bringen würde.
Im Fond des Wagens fanden sich ihre Lippen zu einem langen Kuß, dann schob Brent seine Frau sanft von sich. »Bist du wirklich okay?« fragte er heiser.
»O ja«, versicherte sie, schaute in sein geliebtes Gesicht und strich ihm über die Wange. »Noch nie war ich glücklicher.«
Er legte einen Arm um ihre Schultern. »Ich liebe dich mehr als alles auf der Welt, mehr, als ich es jemals für möglich gehalten hätte, mehr als mein Leben…«
Es war ein ganz besonderer Augenblick, den sie in ihrer Erinnerung bewahren würde wie einen kostbaren Schatz. Und dieses Wissen hielt die eigenartige Furcht im Zaum, die sie quälte – bis sie im Flugzeug sassen. Da schlief sie ein, und wieder wurde sie von grauen Fragmenten ihres Alptraums heimgesucht.
Kapitel 10
DIE LIEBENDEN
Williamsburg, Virginia, Juli 1774
Die Abenddämmerung brach herein. Er erwartete sie beim Korral, im sterbenden Tageslicht, vom Schatten der alten Ulme verborgen. Verwundert berührte er immer wieder den Brief in seiner Tasche. Er zog das feine Pergamentpapier hervor, roch lächelnd daran, um den Veilchenduft einzuatmen.
»Wenn es Abend wird, treffen wir uns beim Korral. Katrina.«
Nur diese schlichte Nachricht. Keine freundlichen oder zärtlichen Worte. Kein Zögern. Fast abrupt. Doch das spielte
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