Geliebter Teufel
Lager.«
Es folgte nur ein kurzes Zögern. »Si, patron.«
Ramon nickte knapp. Bei der Sorge um Andreas konnte er kaum noch an etwas anderes denken. Als die Männer davonritten, mit Ruiz an der Spitze und Enriquez mit dem Mädchen, kehrte er zu Sanchez und seinem Bruder zurück. Andreas war fast bewußtlos und hing leblos auf seinem Pferd. Ramon biß die Zähne zusammen, als die Angst ihn erfaßte, und griff nach den Zügeln, um das Tier in den Schutz von ein paar Bäumen zu führen, in deren Nähe sich auch ein schmaler Bach befand.
Obwohl seine Hände zitterten, hob er Andreas aus dem Sattel und hörte das leise, schmerzgequälte Aufstöhnen seines Bruders. »Keine Angst, kleiner Bruder. Ramon ist da. Es wird alles gut.«
Sanchez rollte seine Schlafdecke aus, und sie betteten Andreas darauf. Ramon riß den Hemdstoff seines Bruders mit klammen Fingern auf und entfernte den blutdurchtränkten Lappen, den Pedro auf die Wunde gedrückt hatte, um die Blutung zu stoppen.
» Madre de Dios.. .« Ramon wurde schwer ums Herz. Er mußte an sich halten, als er das aufgerissene Fleisch seines Bruders sah, die zerbrochene Rippe, die durch die glatte, dunkle Haut gedrungen war, und das pulsierende Blut, das mit jedem Atemzug seines Bruders aus der Wunde quoll.
»Es ... es tut... mir leid, Ramon«, sagte Andreas.
»Sei still«, flüsterte Ramon und spürte, wie sich ihm die Kehle zuschnürte. Plötzlich hatte er Tränen in den Augen. »Du darfst dich nicht anstrengen.«
Ein rasselndes Geräusch zwängte sich über die blutleeren Lippen seines Bruders.
Ramon strich dem jüngeren Mann über das feuchte schwarze Haar. » Por Dios , Andreas«, raunte er. »Warum konntest du nicht hören?«
Andreas schlug die Augen auf. Als er das Gesicht seines Bruders sah und dessen feuchte Wangen, sprangen auch ihm die Tränen in die Augen. »Quäl dich ... nicht... Ramon. Der Überfall war ... meine Idee. Es war meine ... Schuld ... nicht deine.« Er hustete schwach. Die Bewegung schmerzte ihn so sehr, daß er sich krümmte und ihm der Schweiß auf der Stirn ausbrach. Ramon versuchte, ihn festzuhalten, aber seine Hände zitterten so stark, daß er es nicht konnte.
»Bleib ruhig liegen, kleiner Bruder.«
Andreas schaute ihn an. »Bestell... unserer Mutter ... daß ich sie liebe.«
Ramons Kehle war wie zugeschnürt. Er konnte nichts dar rauf erwiedern. Statt dessen faßte er nach der Hand seines Bru ders, drückte sie, so fest er konnte, und wünschte sich, er wäre derjenige, der auf der Schlaf statt läge und diese unerträglichen Schmerzen hätte.
»Und auch ... Tia Teresa«, hauchte Andreas.
»Ich werde es ihnen bestellen.« Ramon brachte die Worte kaum über die Lippen. Stumm liefen die Tränen über seine Wangen, benetzten sein Hemd. Darauf war er nicht gefaßt gewesen. Bei der Mutter Gottes, er hatte nicht vermutet, daß sein Bruder so schwer verwundet war.
»Wie ich auch dich ... liebe ... Ramon.«
Ramon senkte den Kopf. Er wiederholte dieselben Worte seinem Bruder gegenüber, Worte, wie er sie noch keiner Menschenseele gegenüber ausgesprochen hatte.
Andreas hustete erneut und krümmte sich vor Schmerzen. Ramon litt mit ihm, als hätte er dieselbe Pein. Als er schließlich zur Ruhe gekommen war, huschte erstaunlicherweise ein Lächeln über das Gesicht seines Bruders und brachte die Grübchen in den Wangen zum Vorschein.
»Du hast gesagt..., daß ich eines Tages ... wegen einer Frau noch ... mal mein Leben verlieren würde. In gewisser... Weise hat... das wohl gestimmt.« Danach schloß er die Augen und hauchte den letzten Atem aus.
»Nein. Neiiiiin!« Ramon legte den Kopf in den Nacken und schrie seinen unfaßbaren Schmerz in die Dunkelheit hinaus. Seine Stimme hallte in der Stille der Nacht wider, und sein Schrei klang, als würde die Qual ihn in Stücke reißen, so urtümlich wie das Aufheulen eines waidwunden Wolfs.
Wortlos löste sich Pedro Sanchez von seiner Seite. Seine Augen waren ebenso feucht wie Ramons. »Vaya con Dios, mein Freund«, flüsterte er rauh und gepreßt, bekreuzigte sich und schritt zu den Pferden hinüber. Ein paar Minuten später kehrte er mit einer Decke zurück, die er sacht über Andreas’ reglosen Körper ausbreitete. Keiner der beiden Männer sagte etwas. Es gab auch nichts zu sagen.
Erst einige Stunden später konnte Ramon schließlich die leblose Hand seines Bruders loslassen. Doch ihm war so schwer ums Herz, daß er kein Wort über die Lippen brachte.
4. Kapitel
Innerlich hin und
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